Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Gaststätte versammelt haben. Am Montagabend, den 27. März 2012, stürmten Spezialeinheiten um 20.25 Uhr die betreffende Gaststätte und gleichzeitig die Wohnungen führender Mitglieder des verbotenen Vereins. An dem Einsatz waren 260 Einsatzkräfte beteiligt, darunter ein Spezialeinsatzkommando, das MEK Karlsruhe und eine Beweis- und Festnahmeeinheit.
Laut Polizei ergaben sich aus der Situation in der Gaststätte und den sichergestellten schriftlichen Unterlagen klare Indizien für eine verbotene Fortführung des Pforzheimer Charters Borderland. Auch Beweise in den durchsuchten Privatwohnungen bestätigten diese Annahme.
Es gab Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz (Anabolikafund) und das Waffengesetz. Zusätzlich droht den vier Beschuldigten eine Anklage nach dem Vereinsgesetz. Das Gericht kann Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr verhängen, wenn ein verbotener Verein weitergeführt wird.
11. Kapitel
NRW: Kämpfe im tiefen Westen
Gangland Cologne – Türken, Araber, Hells Angels, Bandidos und Gremium
»Wer die Tür hat, hat die Macht« – diese Erkenntnis schien sich im Kölner Nachtleben wieder einmal zu bestätigen. In den 90er-Jahren dominierten Türken die Türsteherszene der Domstadt. Die 120-köpfige Bande beherrschte bald auch weite Teile des Kölner Rotlichtmilieus sowie des Drogenhandels und wurde von Polizei und Medien gleichermaßen als »die Türken« bezeichnet. Nur eine weitere Türstehergang wagte es, ihnen entgegenzutreten, »die Araber«. Die Polizei rechnete dieser Gruppierung 50 bis 80 Männer zu. Die Türken spielten jedoch eiskalt ihre zahlenmäßige Überlegenheit aus und begannen einen Krieg um die Vormachtstellung im Milieu, der teils mit Schusswaffen ausgetragen wurde und viele Verletzte verursachte. Die Türken gingen als Sieger aus dem Konflikt hervor, schafften es aber nicht, die Araber komplett aus dem Geschäft zu drängen.
Die Polizei vermutet, dass mit der Übernahme der Türsteherdienste eines Lokals auch die Kontrolle des dort stattfindenden Drogenhandels beabsichtigt wurde. Zugleich stellten die Gangs eine weitere Gefahr für einen Teil der Gäste dar, und zwar für die weiblichen. Manche Besucherinnen gerieten nämlich bei einem Besuch einer Diskothek auf der Amüsiermeile, den Kölner Ringen, direkt in die Fänge krimineller Türsteher. Dann dauerte es nicht mehr lange, bis die oft jungen und naiven Mädchen nach vorgegaukelter Liebe, Geschenken, Drogen oder einfach skrupelloser Gewalt in einem der Bordelle der Metropole verschwanden. Dem Autor Peter Schran ist in der WDR-Reihe »Die Story« 2004 eine beeindruckende Reportage über dieses Geschäftsmodell gelungen. Besonders die türkische und die arabische Türstehergang sahen sich mit entsprechenden Anschuldigungen konfrontiert.
Mit welchen Mitteln und wie skrupellos die Mitglieder der Gang ihr Geld verdienten, belegt das Gerichtsverfahren gegen den marokkanischen Türsteher Nurdin. Er ging buchstäblich über Leichen. Nurdin wurde angeklagt wegen Vergewaltigung, Zuhälterei und der Folterung zweier Frauen. Einer schwangeren Prostituierten soll er mit gezielten Tritten gegen den Bauch das Kind getötet haben, um finanzielle Einbußen durch die Schwangerschaft zu verhindern. Das Urteil in erster Instanz lautete auf 14 Jahre Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung.
Ein Staatsanwalt bezeichnete diese Männer in einem Verfahren als »Anabolika-Mutanten«. Etliche der brutalen Mitglieder beider Gruppierungen waren einige Jahre später in den Reihen der Hells Angels und der Bandidos wiederzufinden.
Die Hells Angels rekrutierten hauptsächlich Mitglieder der Türken. Die schillerndste Figur war Necati A., 39, genannt »Neco«, ein ehemaliger Ring-Pate, der auch das Kölner Rotlichtmilieu beherrschte. Neco A. galt als brutaler Boss der 120 Türken und wurde schließlich zu neun Jahren Haft verurteilt. Nach nur drei Jahren handelte er einen Deal mit der deutschen Justiz aus. Vorzeitige Entlassung, sofortige Abschiebung in die Türkei und ein lebenslanges Einreiseverbot in die Bundesrepublik. Die Absprache kam zustande, obwohl Neco einen Mordauftrag an dem damaligen Oberstaatsanwalt Heinz-Jürgen B. erteilt hatte, der gegen ihn und seine Gang ermittelte. So führt Necati A. seine Geschäfte seit 2004 also von Izmir in der Türkei aus. Der Zusammenarbeit mit den deutschen Hells Angels tat die Entfernung von über 3000 Kilometern keinen Abbruch, im Gegenteil. Allein an zehn Türen, die vorher von den Türken
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