Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
durch die Angels von 70 auf 100 Euro erhöhte Tagesmiete. Sollte der Wohnanhänger auch für eine Nachtschicht genutzt werden, waren weitere 100 Euro fällig. Die Preiserhöhung bedeutete für die Frauen, dass sie drei Freier bedienen mussten, um überhaupt ihre Tagesmiete bezahlen zu können. Die 40-prozentige Mieterhöhung nahmen die Frauen als glatte Erpressung wahr, doch sie hatten keine Wahl. Wer zahlen konnte, fügte sich und bezahlte. Andere Frauen waren dazu nicht in der Lage und mussten ihre Arbeit auf dem Wohnwagenstrich einstellen. Die Stadt Köln geht davon aus, dass allein die Wohnwagen jährlich zwei Millionen Euro abwarfen.
Als der Bandido Eschli 2009 in Duisburg von dem Hells Angel Timo erschossen wurde, wirkte sich das auch auf die Rockerszene im nur 75 Kilometer entfernten Köln aus, zumal Timo dem Charter Midland im nahen Solingen angehörte. Dieser Umstand vergiftete die Atmosphäre zwischen den beiden verfeindeten Clubs in NRW noch mehr. Die sowieso angespannte Lage drohte außer Kontrolle zu geraten. Die Polizei entschied sich daher, präventiv einzugreifen, und startete knapp einen Monat nach den Todesschüssen eine Großrazzia gegen Hells Angels und Bandidos in ganz NRW. Betroffen waren die Vereinshäuser beider Clubs in Duisburg, Gelsenkirchen, Unna, Siegen, Aachen und Köln. 250 Beamte und ein schwer bewaffnetes Spezialeinsatzkommando stürmten vier Angels-Objekte in Köln, das »Angels Place« in Köln-Frechen, Geschäftsräume und Wohnungen, darunter das Privathaus von Günter L. Die Polizisten stellten eine Pumpgun, zwei Revolver, vier Automatik-Pistolen und Hunderte Schuss scharfe Munition sicher. Drei Angels wurden wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz vorläufig festgenommen. Das Innenministerium NRW begründete via Pressemitteilung die Polizeiaktionen: »Null Toleranz gegenüber gewalttätigen Rockern!«
Davon unbeeindruckt folgten zahlreiche Machtdemonstrationen der beiden erbittert rivalisierenden Clubs auf den Kölner Ringen. Sie belauerten einander und provozierten mit Heerschauen von Dutzenden Rockern in ihren Colors. Die Straßen wurden durch diese Demonstrationen in Aufmarschgebiete der Rockerarmeen umfunktioniert. Die Vergnügungsmeile der Millionenstadt mit ihren zahlreichen Bars, Clubs und Diskotheken war aber auch ein allzu lukrativer Markt für Männer, die ihr Geld in diesem Milieu verdienen.
Der Kölner Polizeipräsident erklärte im Oktober 2011, dass die Behörden den Hells Angels und ihren Untergruppierungen bis zu 150 Männer zurechneten, den Bandidos um die 50. Des Weiteren gab er an, dass die Polizei mit einer Eskalation der Gewalt in der Rockerszene rechne und daher am Wochenende auf den Ringen starke Polizeikräfte präsent halte.
Die Hells Angels brachten durch ihre Türsteherdienste und die Allianz mit der ehemaligen Türstehergang der Türken nun immer mehr Lokale unter ihre Kontrolle. Die Türsteher arbeiteten zwar ohne rot-weiße Uniform, für Szeneinsider steckten sie ihr Gebiet jedoch trotzdem gut sichtbar ab. An vielen Türen klebte nun der Aufkleber mit der »81« und signalisierte den Machtanspruch der Höllenengel auf das Lokal.
Köln ist eine Millionenstadt, in der türkische und arabische Gangs, die Hells Angels und Mitglieder der Bandidos auf der Vergnügungsmeile um Geld, Macht und Einfluss kämpften. Im Frühjahr 2010 erschien noch ein weiterer Rivale der Hells Angels in der viertgrößten Stadt Deutschlands, der Mongols MC. Die elektrisierten Kölner Fahnder beobachteten bis zu 20 Mongol-Member, die in den Wochenendnächten auf den Ringen Präsenz zeigten und so ebenfalls einen Anspruch auf einen Teil der Profite signalisierten.
Die Polizei reagierte auf den zusätzlichen Akteur im Rockermilieu mit hohem polizeilichen Verfolgungsdruck, gezielten Gefährderansprachen (Hausbesuche, bei denen Polizisten mit polizeilicher Verfolgung und strafrechtlichen Konsequenzen drohen) und regelmäßigen Razzien. Dies führte im September 2011 zum gewünschten Erfolg. Das Chapter der Mongols in Köln stellte nach 1,5 Jahren entnervt seine Aktivitäten ein und löste sich auf. Bei folgenden Auseinandersetzungen der Hells Angels gegen die Bandidos fielen jedoch erneut drei ehemalige Mongols-Mitglieder auf. Sie waren mittlerweile zum Bandidos MC gewechselt.
Die Polizei hatte sich zu früh gefreut. Gerade hatte man einen Erfolg gegen die ausufernden Rockeraktivitäten in Köln vermelden können, da erschien wieder eine neue Gruppierung auf der Bildfläche.
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