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Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)

Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)

Titel: Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schubert
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Sie sollte sich als mächtiger und gefährlicher Akteur erweisen, dem es sofort gelang, den Platzhirschen Paroli zu bieten: Der Gremium MC Nomads Bosporus Türkiye wurde das 137. Chapter des unabhängigen deutschen Clubs. In einer Halle der Trabrennbahn Dinslaken wurde die Gründung des neuen Chapters gefeiert. Dinslaken liegt mit über 70 000 Einwohnern auf der Grenze zwischen dem Niederrhein und dem Ruhrgebiet. Die Polizei registrierte 650 Member, die aus ganz Deutschland angereist waren, darunter auffällig viele Migranten.
    Das neu gegründete Chapter erregte großes Aufsehen in der Szene und der Öffentlichkeit. Dies lag zum einen an seiner Zusammensetzung aus überwiegend ausländischen Mitgliedern, wobei türkischstämmige Männer einen Anteil von rund 85 Prozent ausmachten. Zweitens erregte ein professionelles Musikvideo Aufmerksamkeit, das auf YouTube innerhalb kürzester Zeit über 500 000 Mal angeklickt wurde. In martialischer Hip-Hop-Sprache proklamierten türkische Member darin: »Wir stehen hier, ihr wollt Krieg, gebt uns ein paar Gegner und wir schwören, wir töten Sie.« Deutschlands größte Boulevardzeitung deutete das als offene Kriegserklärung.
    Das Video dokumentiert anschaulich den sich abzeichnenden Wandel in der deutschen Rockerszene. Vor zehn Jahren wären in so einer Machtdemonstration eines MCs noch martialische deutsche Männer zu sehen gewesen, die zu Klängen von Kiss, AC/DC oder den Böhsen Onkelz posiert hätten. Dieser Clip jedoch weckte eher den Eindruck, in East Los Angeles gedreht worden zu sein, einer Stadt, die in den 80ern und 90ern von verfeindeten Gangs in ein Kriegsgebiet verwandelt worden ist.
    In dem Video sind über 50 Mitglieder und Prospects des neuen Gremium-Chapters zu sehen. Zusätzlich soll dieser Zusammenschluss schon von Beginn an über 100 Supporter und Hangarounds verfügt haben. Die türkische Nomads-Truppe des Gremium MC erfuhr einen geradezu explosionsartigen Zuspruch und hätte nach eigenen Angaben innerhalb kürzester Zeit über 500 neue Mitglieder rekrutieren können. Da es sich um ein Nomads-Chapter handelte, waren dessen Aktivitäten auf keine bestimmte Stadt oder Region begrenzt. Es war somit für die Polizei ebenso wie für die Konkurrenten aus den Reihen der Hells Angels und der Bandidos schwer, den jeweils nächsten Schritt des Gegners vorauszuahnen. Genau das schienen die Verantwortlichen auch bezweckt zu haben, sonst hätten sie mehrere kleine, ortsgebundene Chapter gründen können.
    Es dauerte nicht lange, bis die Mitglieder des Bosporus-Chapters zum ersten Mal ihre Macht demonstrierten. Sie wählten das Oberhausener Centro, Europas größtes Shopping- und Freizeitzentrum, dafür aus. 15 Mann drehten in voller Montur inklusive Gremium-Kutte eine Runde durch die Anlage. Auf den ersten Blick mag dieser Vorfall wenig spektakulär erscheinen, doch in der Rockerszene war dieses Verhalten ein Tabubruch. Das Centro war kuttenfreie Zone, woran sich bis dahin alle Clubs gehalten hatten. Außerdem war Oberhausen Bandidos-Land. Die Machtdemonstration war damit gleichzeitig eine bewusste Provokation. Auch die Kölner Polizisten registrierten die Vorgänge und stellten sich auf zusätzliche Aktivitäten der Bosporus Nomads in der Domstadt ein.
    Am 23. Juli 2011 gegen drei Uhr nachts drohte die Situation an den Ringen erneut zu eskalieren. Rund 15 Bandidos tauchten vor einer Diskothek auf, während sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite rund 20 Hells Angels in Stellung gebracht hatten. Eine Hundertschaft der Polizei schritt ein und sprach Platzverweise aus. Sodann verlagerte sich der Konflikt in das nur 20 Kilometer entfernte Leverkusen. Dort versammelten sich rund 40 Angels auf der Bahnhofstraße, direkt neben einer Kneipe der Bandidos. Die Polizei sprach erneut Platzverweise gegen die Höllenengel aus und schaffte es, eine direkte Konfrontation zu verhindern. Rockeralarme am Ring wiederholten sich in immer kürzeren Abständen. Das Kölner Polizeipräsidium sah sich angesichts der Brisanz der Situationen veranlasst, beinahe jedes Wochenende Bereitschaftspolizisten aus den Einsatzhundertschaften an den Ringen bereitzuhalten. Zu Recht, wie sich im April 2012 erwies, als es anlässlich eines Amateurboxabends in der Kölner Altstadt beinahe zu einer Katastrophe gekommen wäre. Da sich unter den Zuschauern ein hochrangiger Bandido befand, der 20 Clubmitglieder in einem Gebiet hatte, auf das Angels Ansprüche erhoben, empfanden diese selbst den Besuch der

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