Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
des Landes, durchsuchten das Vereinsgelände und die 32 Wohnungen der Mitglieder. Die Polizisten stellten das übliche Waffenarsenal sicher, das aus Pistolen, Luftdruckgewehren, Schusswesten, Samuraischwertern, Macheten, Messern, Tomahawks, Morgensternen, Baseballschlägern und Pfefferspray bestand. Auch Kutten und Bargeld wurden wieder konfisziert. Der Innenminister bestritt den Vorwurf der Rocker, dass ein Zusammenhang zwischen den Verboten und der heißen Phase des Landtagswahlkampfes vorläge, und verwies auf die jüngst erfolgten Versuche der Kölner Höllenengel, ihre gewohnten Territorial- und Machtansprüche gewaltsam durchzusetzen. Bei der Abschöpfung des Vereinsvermögens legten die Behörden dieses Mal eine besondere Akribie an den Tag. Polizisten schleppten nicht nur die Sofas aus dem Vereinsheim, sondern bauten auch noch eine komplette Bierzeltgarnitur ab, die im Innenhof aufgestellt war. Die für den folgenden Samstag geplante Open-House-Party sagten die Beamten gleich mit ab. Des Weiteren wurden ein Lastwagen und andere Fahrzeuge beschlagnahmt. Das sichergestellte Vereinsinventar füllte sechs Container.
Vertreter der Deutschen Polizeigewerkschaft fanden erwartungsgemäß zustimmende Worte für das Verbot der Kölner Biker: »Die Polizei muss deutlich machen, dass das Gewaltmonopol beim Staat liegt und sich nicht von Rockerclubs untereinander aufteilen lässt.« Der Bund Deutscher Kriminalbeamter unterstrich, dass Vereinsverbote das publikumswirksame und eventuell einschüchternde Zeigen der Vereinssymbole in der Öffentlichkeit verhinderten. Indem man ihre martialischen Auftritte eindämme, entziehe man den Rockern einen Teil ihres Bedrohungspotenzials.
Der Innenminister gab sich zuversichtlich, dass das Verbot auch vor den Instanzen der zuständigen Verwaltungsgerichte Bestand haben würde. Einige Tage später lud der Pressesprecher der Hells Angels, Rudolf Django T., zur Pressekonferenz auf das ehemalige Clubgelände in Köln-Frechen. Im Beisein eines Strafverteidigers bezeichnete er die Verbote als politische Kampagnemittel, um sich im Wahlkampf auf Kosten der Rockerclubs zu profilieren. Er kündigte an, gemeinschaftlich, bevollmächtigt von allen 32 Mitgliedern, Klage gegen das Vereinsverbot zu erheben. Die Hells Angels pochten ferner auf die weitere Nutzung des Vereinsgeländes, da sie über einen gültigen Mietvertrag verfügten. Das gesamte Gelände soll der Mutter des Präsidenten des Kölner Charters gehören.
Die Klage gegen dieses Verbot scheint aussichtslos, wenn man die jüngsten Urteile der Verwaltungsgerichte auf die Kölner Verhältnisse bezieht. Danach würden allein die Mordanschuldigungen vom August 2012 gegen den Kölner Präsidenten ein Vereinsverbot rechtfertigen. Außerdem bieten zahlreiche schwere Attacken auf rivalisierende Clubs genügend Anhaltspunkte, um als Vereinsaktivitäten gewertet zu werden.
Das umkämpfte Ostdeutschland
Berlin und Brandenburg sind nicht die einzigen Gebiete im Osten der Republik, in denen es zu Auseinandersetzungen zwischen den OMCGs kommt. In Erfurt gründete sich ein Charter des Hells Angels MC, das 2010 sein Full Color erhielt. Die über 200 000 Einwohner zählende Landeshauptstadt Thüringens wurde durch die Expansion der Hells Angels zu einer weiteren Frontstadt im deutschlandweiten Rockerkrieg. Ein 38-Jähriger, den die Polizei diesem neuen Hells-Angels-Charter zurechnete, wurde auf dem Parkplatz eines Geschäfts für Motorradzubehör in Weimar niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Nur durch eine Notoperation konnten die Ärzte sein Leben noch retten. Ermittlern gelang es kurz nach der Tat im Dezember, vier Verdächtige festzunehmen. Nach Angaben des LKAs Thüringen sind zwei der Männer Mitglieder des Bandidos MC Jena. Dieses sehr aktive Chapter der Bandidos ist schon mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der Anklagevorwurf der thüringischen Staatsanwaltschaft nach der Messerattacke in Weimar lautete auf versuchten Mord.
Die aggressive Rockerexpansion verlagerte sich weiter gen Osten in Landstriche, die von der Kolonialisierung durch die großen MCs bis dahin noch kaum erfasst worden waren. Die Gebiete der ehemaligen DDR rückten aufgrund strategischer Überlegungen in den Fokus der großen Clubs. Die wichtigste war, dass Westdeutschland mittlerweile eine solche Club- und Rockerdichte aufwies, dass die aggressive Expansionspolitik der OMCGs dort an ihre natürlichen Grenzen stieß. Es gab fast keine bedeutsamen
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