Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
wurden außerdem 16 Bankkonten der Hells Angels eingefroren und ihr Internetauftritt abgeschaltet.
Den 25 polizeibekannten Mitgliedern wurden bei der umfangreichen Durchsuchungsaktion die Verbotsverfügungen gleich mit zugestellt. Die Begründung des Vereinsverbotes ähnelt denen bereits erlassener Verfügungen. Sie beinhaltet die Vorwürfe von Gebiets- und Machtansprüchen im kriminellen Sektor, Territorialkämpfen mit verfeindeten Clubs wie den Bandidos sowie einer generellen Häufung von schweren Gewalttaten im Umfeld des Hells Angels MC Kiel. Des Weiteren wurden auch die wiederholten Anschuldigungen wegen Aktivitäten in den Bereichen Prostitution, Zuhälterei, Drogen- und Waffenhandel aufgeführt.
Insgesamt stellten Polizisten elf schusssichere Westen, Gewehre, Messer, Morgensterne, Würgehölzer und interessante interne Dokumente sicher, darunter einen Vertrag über das Handling der eigenen Beerdigung, den jedes Member unterschreiben musste. Einsatzleiter Joachim Gutt zitiert aus dem Vertrag: »Die komplette Beerdigung übernehmen die Hells Angels. Niemand anderes bestimmt den Ablauf der Beerdigung.« Der erfahrene Einsatzleiter sprach angesichts dieses Dokuments von »Gehorsam über den Tod hinaus«.
Innenminister Schlie beschrieb das Kieler Charter als »Keimzelle« und »Zentrum« der organisierten Rockerkriminalität in ganz Norddeutschland. Seinem Präsidenten Dirk R., 41, warf er vor, die Drecksarbeit im Milieu taktisch geschickt Supportern der Legion 81 Kiel und dem bereits 2010 verbotenen Charter Flensburg, das eigens dazu gegründet worden sei, überlassen zu haben.
Dirk R. und der Boss eben jener Legion 81, Steffen R., sollten im Sommer 2012 zu Hauptakteuren in einer Mordermittlung werden, die deutschlandweit Schlagzeilen machen würde. Nur stünden dann beide auf unterschiedlichen Seiten.
Den Stützpunkt der Angels, das »Sansibar« im Kieler Rotlichtbezirk, ließ die Behörde schließen und versiegeln. Die Stadt entzog der eingetragenen Inhaberin die Lizenz mit der Begründung, sie habe nur als Strohfrau der Rocker fungiert. Dem Hells Angels MC blieben nach dem Verbot der Charter Flensburg und Kiel in Norddeutschland nur noch zwei Stützpunkte: das drittälteste Charter Deutschlands, North End (Alveslohe), gegründet am 13. April 1990, und das erst im Januar 2010 geschaffene Charter in Lübeck. Man muss kein Prophet sein, um sich den nächsten Arbeitsschwerpunkt der Soko »Rocker« in Schleswig-Holstein vorzustellen.
Das Jahr 2012 begann aus der Sicht der Big Red Machine in Deutschland also genauso schlecht, wie das Jahr 2011 verlaufen war, als Verbotsverfügungen gegen langjährige mächtige Charter, wie die beiden Frankfurter Zellen Westend und Frankfurt und Pforzheim, ausgesprochen worden waren. Das Charter Kiel war die siebte verbotene Niederlassung der Hells Angels in Deutschland. Für Frank Hanebuth, Präsident des weltweit größten Charters, muss dieser Schlag der Behörden besonders bitter gewesen sein. Ihm werden freundschaftliche Beziehungen zu dem Kieler Charter und besonders zu Dirk R. nachgesagt. Die beiden Bosse sollten vier Monate später beide Teil eines Ermittlungsverfahrens zu einem brutalen Mord in der Kieler Unterwelt sein. Wirkungstreffer der Polizei gegen die Hells Angels folgten in immer kürzeren Abständen und näherten sich bedrohlich dem Machtzentrum der Organisation in Deutschland, ja sogar in Europa: Hannover.
Die Drohung von Funktionären der Höllenengel, sich durch alle Instanzen zu klagen, sodass sie dann bei Erfolg quasi mit juristischem Segen des Bundesverwaltungsgerichts ihre Geschäfte ungehindert fortsetzen konnten, hatte ihre Wirkung verloren. Die ersten Rechtspositionen der Verwaltungsgerichte gegen die OMCGs, insbesondere die der Verwaltungsgerichte Baden-Württemberg und Schleswig, waren eindeutig.
Die Gerichte folgten der Argumentation von Polizeibehörden und Innenministern ohne größere Korrekturen. Juristisch ist diese Auseinandersetzung gegen einen ganzen Staat für die deutschen Hells Angels nicht zu gewinnen. Bei all ihren Kämpfen um Territorien und Macht in kriminellen Wirtschaftsbereichen schienen die Hells Angels und die Bandidos eines aus den Augen verloren zu haben: Sie hatten mit der öffentlichen Gewalteskalation der letzten Jahre den Staat als Ganzes herausgefordert. Auf dem Höhepunkt des Konflikts hielten sie eine Pressekonferenz ab und inszenierten einen Friedensschluss, als ob das Gewaltmonopol des Staates für sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher