Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
beschäftigten die Szene zwar noch eine Weile, doch dann stand schon ein neues Jahrzehnt vor der Tür. Die 90er-Jahre sollte besonders ein MC in Deutschland dominieren, sie waren das Jahrzehnt des Bones MC Germany.
Hannover, Rotlicht und Frank Hanebuth
Frank Hanebuth, ein ehemaliger Profiboxer im Schwergewicht (vier Kämpfe, zwei mit vorzeitigem K. o. beendet) von geschätzten 125 Kilogramm Körpergewicht bei knapp zwei Metern Größe, stieß 1995 zum Bones MC Hannover. Dort besetzte er schon bald die Führungsposition des Chapters.
Hanebuth entstammt einer gutbürgerlichen Familie, der Vater Schulrektor, die Mutter Chefsekretärin. Seit seinem zwölften Lebensjahr betreibt er Kampfsport und verprügelt Sandsäcke. Nach einer Handwerkslehre als Zimmermann zog es ihn bereits mit 18 Jahren ins Steintorviertel, den Kiez Hannovers. Später widmete er sich dem gezielten Muskeltraining und durchlief eine Spezialausbildung zum Personenschützer in Israel. Den Umgang mit Schusswaffen erlernte er im Schützenverein, in dem er es bis auf den Thron des Schützenkönigs schaffte.
Sein erstes Geld am Steintor verdiente Hanebuth hinter dem Tresen eines Nachtclubs und als Rausschmeißer, der dazwischenhaute, sobald sich Ärger anbahnte. Durch sein kompromissloses Einschreiten erwarb er sich schnell den Ruf eines harten Aufräumers. Bei seiner nächsten beruflichen Station als Wirtschafter in einem Bordell kam der damals 21-Jährige 1985 wegen typischer Türsteherdelikte mit dem Gesetz in Konflikt. Die Eltern engagierten für ihren Filius den Rechtsanwalt Götz v. F., der bekannte Kriminelle aus dem Milieu vertrat. »Boxer-Frank« lernte durch seinen Rechtsbeistand deutsche Kiezgrößen kennen und aus der Bekanntschaft der beiden so unterschiedlichen Männer entstand eine Freundschaft, die bis heute anhält. Hinweise auf eine spezielle Begeisterung für Bikes oder eine Affinität zum Motorradfahren sucht man im frühen Lebenslauf Hanebuths vergeblich.
Frank Hanebuth war damit beschäftigt, seine Pläne umzusetzen. Die Vorherrschaft, die Profite und der Einfluss auf der Rotlichtmeile der niedersächsischen Landeshauptstadt waren Anfang der 90er-Jahre schwer umkämpft. Neben albanischen, türkischen und russischen Gruppierungen erkämpfte sich auch eine deutsche Vereinigung wachsende Macht und Geltung. Diese Männer organisierten sich im städtischen Ableger des Bones MC, an dessen Spitze nun Präsident Hanebuth stand.
Besonders die Albaner verbreiteten mit ihren brutalen Methoden Angst und Schrecken und setzten sich zunehmend gegen kurdische Konkurrenten durch, sodass sich ihr Anteil an Schutzgelderpressungen, Glücksspiel, Drogenhandel und Prostitutionsgewinnen steigerte. Es kam zu Messerstechereien, Schießereien und Toten auf den Straßen der Landeshauptstadt. Ein Kosovo-Albaner, den ein Kurde in einem Eiscafé umbrachte, war schon der dritte Tote in nur einem Jahr. Der ehemalige Bundespräsident und damalige niedersächsische CDU-Landeschef Christian Wulff bezeichnete das Steintorviertel unter diesem Eindruck als »Eldorado der organisierten Kriminalität«.
Im Hannoveraner Polizeipräsidium schienen nach den mörderischen Revierkämpfen die Pragmatiker die Oberhand zu gewinnen. Sollte der polizeiliche Verfolgungs- und Ermittlungsdruck der vergangenen Jahre, besonders mit Blick auf deutsche Gruppen im Milieu, zu robust geführt worden sein, sodass Chaos langsam die Oberhand gewann, wo vorher alles leidlich reguliert schien? Hatte die konsequente polizeiliche Arbeit erst den Platz für ausländische Banden geschaffen, indem sie die deutschen Wettbewerber ausschaltete und vor Gericht und in die Gefängnisse brachte? Trug die Polizei mit diesem Vorgehen eine Mitschuld an den immer grausameren Aktionen der Migranten-Clans? Und wenn ja, wie sollte sie sich in Zukunft positionieren? Stellte man sich in Behördenkreisen gar die Frage, welche Gruppierung das Geld möglichst problemlos und unter der geringsten Gewaltanwendung kassieren würde?
Einfluss auf die praktische polizeiliche Arbeit nimmt die politische Führung einer Behörde (Polizeipräsidenten werden in Deutschland in erster Linie nach dem passenden Parteibuch vom amtierenden Innenminister und Parteikollegen ernannt) entweder durch direkte Anordnungen oder durch Versetzungen besonders eifriger Beamter. Favorisiert wird jedoch eine andere Vorgehensweise, um in keinerlei direkte Konfrontation mit motivierten Ermittlern zu geraten. Kein Behördenchef möchte schließlich,
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