Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
heran und warnte eindringlich vor einer Überregulierung der arbeitsrechtlichen Vorschriften für Frauen, unter die auch ausländische Prostituierte fallen. Um sein Anliegen zu untermauern, beschwor er das Schreckgespenst einer Übernahme des Rotlichtviertels durch ausländische Banden. Das fiel offensichtlich auf fruchtbaren Boden, da selbst hochrangige Polizisten sich öffentlich unverhohlen positiv über die erfolgreiche Befriedung des Hannoveraner Rotlichtviertels äußerten.
So gelang es dem Bones-Vorsitzenden Hanebuth, im Vergnügungsviertel, das eigentlich ein Rechteck ist, das die Straßenzüge Goethestraße, Reuterstraße, Reitwallstraße und Am Marstall umfasst, nach und nach fast sämtliche Bordelle, Pornokinos, Sexshops, Bars, Tattooshops und weitere gastronomische Betriebe unter seine Kontrolle zu bringen.
Sauber waren die Etablissements nicht. Polizeiermittler fanden darin ausländische Frauen mit gefälschten Pässen und stießen auch auf 17-jährige Mädchen, dieder Prostitution nachgingen. Die Zimmertagesmiete, um die 100 Euro, wurde auch an arbeitsfreien Tagen fällig, was oft zu einer hohen Verschuldung der Frauen gegenüber dem Bordellbetreiber führte und die ohnehin bestehende Abhängigkeit noch verstärkte. Zusammengenommen erreichten selbst mittelgroße Bordelle so einen Jahresmietumsatz von mehr als einer Million Euro. Dabei lagen diese Immobilien weder in einem teuren Stadtteil Hannovers, noch waren sie besonders gut in Schuss.
Zahlreiche Immobilien im Steintorviertel rechnen Ermittler dem Besitz von Hanebuth zu, auch wenn die jeweiligen Grundbucheintragungen ein undurchsichtiges Geflecht von Verwaltungsfirmen und Tochtergesellschaften darstellen. Götz v. F. wird ebenfalls Immobilieneigentum im Steintorviertel nachgesagt. Man benötigt wenig Fantasie, um zu erraten, in welchem Anwaltsbüro ein Großteil des oben genannten Vertragsnetzes gesponnen wurde. Die Kanzlei residiert in einer weißen Villa an der piekfeinen Adenauerallee, wo Exbundeskanzler Gerhard Schröder in Öl über die Räume wacht.
Nach der erfolgreichen Machtübernahme im Vergnügungsviertel weiteten die Mitglieder des Bones MC ihre Türsteherdienste und Security-Angebote ungehemmt weiter aus. Sie errichteten in diesem Wirtschaftsbereich quasi ein Monopol, das sie mit einer ihrer Sicherheitsfirmen, der Bodyguard Security, ausübten, inklusive IHK-Zertifikat und ordnungsgemäßer Abfuhr der Umsatzsteuer.
Die deutschen Rocker waren damit im legalen Wirtschaftskreislauf angekommen. Die Führung der Motorradbanden war somit in der Lage, zahlreiche Männer mit ordnungsgemäßen, sozialversicherungspflichtigen Jobs auszustatten. Diese Möglichkeit verschaffte den Clubs und ihren Mitgliedern entscheidende Vorteile. Der einzelne Club band seine Männer so noch enger an sich und erhöhte deren Abhängigkeit um ein Vielfaches, was einen Ausstieg zusätzlich erschwerte. Außerdem schwanden dadurch die Chancen der Ermittler, Geldflüsse aus mutmaßlich illegalen Tätigkeiten nachzuzeichnen und rechtskräftig zu beweisen.
Die Geschäftsaktivitäten des Hannoveraner Bones-Chapters scheinen einem Cosa-Nostra-Wirtschaftsleitfaden entsprungen zu sein. Zwei Punkte wurden geradezu perfekt umgesetzt:
Wie verwandle ich gewaltbereites Auftreten und Geschäftsgebaren in bare Münze?
Wie erreiche ich mit diesen Aktivitäten den legalen Wirtschaftskreislauf und mache mich polizeilich, strafrechtlich und steuerlich unangreifbar?
Die Cosa Nostra mit ihrer 150-jährigen Geschichte brauchte lange Zeit, um ihr Geschäftsmodell zu perfektionieren. Der Bones MC Hannover unter Führung seines Präsidenten Frank Hanebuth benötigte für diese Metamorphose keine zehn Jahre.
Das Bones-Chapter in Hannover scheint der Prototyp einer Vereinigung zu sein, die kaum noch als Motorradclub bezeichnet werden kann, wobei auch anzumerken ist, dass nach verschiedenen Quellen zahlreiche Mitglieder rekrutiert wurden, die weder ein Motorrad besitzen noch einen Motorradführerschein erworben haben.
Die Expansion beschleunigt sich
Die Gründung des Kasseler Chapters des Bones MC stellte der spätere Vizepräsident der Dependance, Ulrich Detrois, in seinem Buch Höllenritt und zahlreichen Interviews als relativ unproblematisch dar. Dies lässt den so offensiv gepflegten Mythos und das elitäre Gehabe hinsichtlich der angeblich so langwierigen und schweren Bemühungen, die einer Vollmitgliedschaft vorausgehen, wieder einmal als veraltete Bikerlegende erscheinen.
1995
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