Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
Hells Angels MC Germany, der Stuttgarter Charter-Präsident Lutz S., bemerkte 2008 anlässlich eines Interviews, dass Hanebuth »die ganze Hippiesache« völlig egal sei und für ihn die Hells Angels hauptsächlich ein erfolgreiches Geschäftsmodell seien.
Der mächtigste Motorradclub der Welt hatte Deutschland handstreichartig eingenommen. Würden die Rivalen das widerstandslos akzeptieren?
Bandidos MC Germany
Ausgerechnet auf einer Tattoo-Convention in Karlsruhe, die der Bones MC 1996 ausrichtete, fanden die ersten offiziellen Gespräche zwischen den (gelben) Ghostrider’s und Teilen der dänischen Bandidos-Führung sowie den Les Copains aus Luxemburg statt, deren Wechsel zum Bandidos MC sich bereits deutlich abzeichnete und ein Jahr später erfolgte. Diese Kontakte wurden in den beiden folgenden Jahren auf den National Runs in Marseille und Luxemburg intensiviert. Die deutschen Rocker schienen zu ahnen, dass sie starke internationale Verbündete benötigten, um den aufziehenden Sturm in Deutschland zu überstehen.
Am 21. November 1999 traten die kompletten 16 Chapter der gelben Ghostrider’s als Prospect-Clubs zum weltweiten Netzwerk der Bandidos über. Ihnen folgten schnell das Münchner Nomad Chapter des Road Eagle MC und der ebenfalls in München beheimatete Destroyers MC. Im Gegensatz zum Bones MC hielten die Ghostrider’s eine den Statuten entsprechende Prospect-Phase ein. Erst am 3. Juni 2000 – ein halbes Jahr nach ihrem Übertritt – erhielten die Deutschen ihr Vollpatch und wurden damit zu vollwertigen Mitgliedern des neu gegründeten Bandidos MC Germany.
Die nationale Struktur der Einprozenter-Clubs in Deutschland hatte sich wieder einmal über Nacht geändert. Die Bandido Nation war auf einen Schlag mit 17 Chaptern in deutschen Städten vertreten: Aachen, Bochum, Köln, Dinslaken, Dortmund, Duisburg, Essen, Wuppertal, Kaiserslautern, Kassel, Lahr, München, München-City, Frankenthal, Ulm, Wetzlar und Gelsenkirchen, die Ursprungszelle des Ghostrider’s MC Germany. Bereits 2001 schlossen sich dieser Vereinigung mehrere Chapter des Free Eagles MC (Osnabrück, Münster und Hamm) und des Dragons MC Berlin an. Die Behörden schätzten die Mannstärke des Bandidos MC Germany im angebrochenen Millennium auf 250 Mitglieder.
Das Gelsenkirchener Chapter des Bandidos MC, dessen harter Kern seit Ende der 70er-Jahre mit seiner unumstrittenen Führungsfigur Leslav »Les« H. aktiv ist und das erste Chapter des (gelben) Ghostrider’s MC Germany gebildet hatte, behielt auch nach dem Patchover zur Bandido Nation seine nationale Führungsrolle bei. Sie stellen als Chapter »Central« gleich drei Mitglieder in der europäischen Führungsebene. Als sichtbares Zeichen von Einfluss und Macht prangt auf ihren Patches nicht der Schriftzug »Germany«, sondern »Europe«.
Das bedeutet, dass sie Mitglieder des europäischen Präsidiums sind und gemeinsam mit dem amerikanischen (das dem weltweiten Führungszirkel vorsitzt) und dem australischen Präsidium die Entscheidungen für alle global wirksamen Befehle der Bandido Nation treffen. Darunter wahrscheinlich auch so folgenschwere Entscheidungen wie: Krieg oder Frieden? Auch die Position der Bandidos zum Drogenkonsum und -handel ihrer Mitglieder, zu schwerwiegenden Straftaten und die Formulierung von Leitlinien hinsichtlich weiterer Expansionen und alle relevanten Bestimmungen des Clubs laufen, nach Angaben aus der Szene, hier zusammen.
Die Männer des Gelsenkirchener Bandidos-Chapters übernahmen noch eine weitere amerikanische Besonderheit: den Support durch einen anderen Club. Der Ladroners MC fährt wie sein Vorbild mit den gleichen rot-goldenen Farben, jedoch in umgekehrter Gewichtung, auf Motorrädern über Deutschlands Straßen.
Die Outlaws und der Red Devils MC in Deutschland
Am 21. April 2001 wechselten alle Chapter des (schwarzen) Ghost-Riders MC nach 28 Jahren ihr Color und traten dem mit 4500 Vollmitgliedern größten unter den weltweit aufgestellten Einprozenter-Clubs, dem Outlaws MC, geschlossen bei. Ein weiterer erbitterter und ewiger Rivale der Hells Angels begann, in Deutschland aktiv zu werden.
Im hessischen Landtag fasste der Innenminister 2001 folgende polizeilichen Erkenntnisse zusammen:
»In den letzten Jahren wurden im Bundesgebiet wiederholt Verfahren gegen Mitglieder der Rockerszene geführt, die eine Verstrickung der vereinsähnlich strukturierten Clubs in ein breites Spektrum von Straftaten, vor allem in den Bereichen der
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