Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
auszupacken, gestanden einen Teil der ihnen vorgeworfenen Taten und handelten geringere Haftstrafen aus. Am häufigsten wurden Drogendelikte zugegeben.
Als im Frühjahr 2004 das juristische Endspiel der Operation »Springtime« eingeläutet wurde, waren noch 17 Hells Angels übrig. Diese verweigerten nach wie vor jegliche Kooperation mit den Behörden.
In dem Verfahren stellte sich dann heraus, dass bei den Hells Angels eine Kopfgeldliste existierte, die fast ausschließlich Mitglieder der Rock Machine betraf und später auf Männer der Bandidos ausgeweitet wurde: 25 000 Dollar gab es für den Mord an einem Supporter, 50 000 Dollar für einen Prospect und 100 000 Dollar für ein Vollmitglied der verhassten Rivalen. Finanzielle Mittel schienen kein Problem zu sein.
Im fortschreitenden Verfahren entschlossen sich sechs der Angeklagten, doch noch einen Deal mit den Justizbehörden einzugehen, und erhielten dafür mildere Haftstrafen zwischen drei und elf Jahren. Als schon niemand mehr damit rechnete, bekannten sich schließlich auch die verbliebenen Angeklagten folgender Taten schuldig: Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Anstiftung zum Mord und Drogenhandel. Vier Nomads erhielten 20, die restlichen 15 Jahre Gefängnis. Drei der Verurteilten wurde die Beteiligung an 13 weiteren Morden nachgewiesen, die nicht Gegenstand der Anklagen aus der Operation »Springtime« waren. Sie erhielten deswegen erhebliche zusätzliche Gefängnisstrafen.
Auch nach der erfolgreichen Operation »Springtime« setzten sich die Auseinandersetzungen zwischen Angels und Bandidos unbeeindruckt fort. Den Hells Angels gingen allerdings zeitweise die Mitglieder und Prospects für weitere Anschläge gegen die Bandidos aus. Aufgrund dieser personellen Notlage bedienten sie sich auf dem freien Markt. Auf dem Highway 401 geriet der Berufsverbrecher und Auftragsmörder Daniel Lamer am 11. März 2002 in eine Polizeikontrolle. Er entschied sich, seinen Weg freizuschießen und starb im Kugelhagel von fünf Polizisten. Bei späteren Ermittlungen stellte sich heraus, dass ein mit den Hells Angels befreundeter Club, die Rockers, ihn für seinen nächsten Auftrag angeheuert hatten: die Ermordung des Präsidenten der kanadischen Bandidos. Doch auch die Gegenseite setzte solche Experten erbarmungslos für ihre Zwecke ein.
Auftragskiller Gerald Gallant – der nette Nachbar von nebenan
Anwohner schätzten ihren Nachbarn Gerald Gallant als einen ruhigen Bewohner des Stadtviertels und verlässliches Mitglied der Gemeinde. Das Haus hielt er genauso tadellos in Schuss wie seine Autos. Er wirkte unauffällig und normal, wenn er mit seinem Fahrrad durch die Kleinstadt Donnacona in der Provinz Quebec radelte. Er lebte offensichtlich Werte vor, die in der ländlichen Gegend Kanadas etwas zählten. Das einzig Ungewöhnliche an seinem Haus war eine Vielzahl von Überwachungskameras, aber diese Marotte verzieh man ihm gerne. Gallant lebte seit über 20 Jahren hier und als sein Doppelleben enttarnt wurde, fand sich kein Nachbar, der etwas Schlechtes über ihn zu berichten gewusst hätte.
Unter dem Deckmantel seiner gutbürgerlichen Fassade war Gerald Gallant nicht besonders wählerisch in Bezug auf seine Arbeit und seine Auftraggeber. Er stellte seine Dienste jedem zur Verfügung, der den Preis bezahlte – 12 000 Dollar pro Auftrag. Seine Profession pries er nicht in den gelben Seiten an und auch die Arbeitsagentur wäre wohl davor zurückgeschreckt, ihn zu vermitteln. Gallant war ein Auftragskiller, genauer gesagt war er der Auftragskiller des Quebecer Bikerkriegs, und er arbeitete gegen die Hells Angels.
Dabei war er bei Weitem nicht unfehlbar. Die BBC berichtete nach seiner Festnahme von einem seiner Irrtümer. Einen unbeteiligten Privatdetektiv kostete Gallants schlampige Vorbereitung sein Leben; er hatte die Wohnung des von Gallant gesuchten Opfers als Nachmieter bezogen. Gallant verwechselte ihn mit dem Gesuchten und erschoss den Detektiv. Auch die Sekretärin eines Kredithais mit Verbindungen zu den Hells Angels kreuzte unbeabsichtigt seinen Weg. Genau gesagt benutzte der Kredithai sie als lebenden Schutzschild, als er den Tod nahen sah. Gallant schoss, ohne eine Sekunde zu zögern. Er tötete den mit den Angels verbundenen Geldverleiher und verletzte die Sekretärin mit mehreren Kugeln.
Seine Arbeitsweise schien dem Film Der Pate entsprungen. Monsieur Gallant suchte eine Kirche auf, in der ihm ein Mittelsmann unauffällig einen kleinen Zettel
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