Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
doch unbedingt durch Getränke oder Zigaretten der Hells-Angels-Hausmarke zu erweitern.
Wenn eine Gruppierung keine Gewalt mehr androhen, geschweige denn ausüben muss und ihr bei letzten Zweifeln Andeutungen ausreichen, hat sie den Gipfel ihrer Wirkungsmacht erreicht.
Diese Angebote finden in einer juristischen Grauzone statt, deren Interpretationsmöglichkeiten gewieften Rechtsanwälten meist genügend Spielräume vor Gericht bieten, sollte sich einmal ein Adressat tatsächlich trauen, diesen Vorgang anzuzeigen. Während der Staatsanwalt von Nötigung, Zuhälterei und räuberischer Erpressung spricht, lamentiert der hoch bezahlte Advokat über eine Missdeutung des Gesprächs und eine Vorverurteilung seines Mandanten.
2004 half Dominic G., 35, auch kein hoch bezahlter Rechtsbeistand; das Gericht verurteilte ihn wegen erpresserischen Menschenraubes und räuberischer Erpressung im Rotlichtmilieu zu 6,5 Jahren Haft.
Dominic G. ist Vollmitglied des Hannoveraner Charters des Hells Angels MC. Wie bei allen anderen rechtskräftigen Verurteilungen innerhalb der Angels-Welt distanziert sich der Club in keiner Weise von seinem Mitglied oder der Tat. Selbst bei schwersten Gewalttaten, bei Totschlag, Mord oder Drogenhandel, warten Opfer vergeblich auf eine Entschuldigung oder die Übernahme der moralischen Verantwortung. Die Straftaten werden als Einzeltat ausgewiesen und als unvereinbar mit den Statuten des Clubs bezeichnet. Das war’s.
Welche Vereinigung wäre aber auch so töricht, Mord, Drogenhandel, Gewalt und die Förderung der Prostitution explizit als Geschäftsmodell in ihre Statuten zu schreiben? Doch der inhaftierte Bruder wird nicht nur nicht rausgeworfen, sondern von einer weiteren Organisationseinheit der Hells Angels aufgefangen: von der »Big House Crew«. Diese kümmert sich sogar mittels einer eigenen Homepage um inhaftierte Mitglieder, vermittelt Briefkontakte inklusive einer Fotogalerie und ruft zur Unterstützung der Gefangenen durch Spenden und den Kauf von Support-Bekleidung auf. Andere in Deutschland aktive OMCGs verfahren mit Straftaten und inhaftierten Mitgliedern auf identische Weise.
Autobombe und Hinrichtung in Karlsruhe
Gewalttätigkeiten bei Revierkämpfen und der Verteilung von Profiten aus Prostitution und weiteren illegalen Aktivitäten finden nicht nur unter den verfeindeten Rockerclubs statt. Auch andere Organisationen und Syndikate im Milieu sind bereit, sich Macht und Geld rücksichtslos anzueignen. Wenn es geht, wird in Verhandlungen eine Koexistenz vereinbart, doch nicht alle kriminellen Gemeinschaften schrecken davor zurück, einen offenen Kampf mit den Hells Angels auszutragen.
Einmal geriet Helmut »Miko« M., 42, Präsident des 40-köpfigen Hells-Angels-Charters Karlsruhe, mit einer Gruppierung aus Serbien und Montenegro aneinander. Miko war eine stadtbekannte Größe im Rotlichtmilieu Karlsruhes und betrieb unter anderem ein Bordell. Der Präsident war aktiver Kampfsportler und erkämpfte sich als Ultimate Fighter einen Namen. Seinen Werdegang begleiten viele Körperverletzungsdelikte, und schon mit 21 Jahren trat er eine siebenjährige Freiheitsstrafe wegen versuchten Totschlags an. Im Milieu war er dafür bekannt, seine Geschäftsinteressen rigoros durchzusetzen.
Miko M. war nach Polizeiangaben der maßgebliche Akteur bei der Umgestaltung einer Diskothek in ein Großbordell. Eine Prostituierte sagte nach einem Selbstmordversuch aus, dass ihr vor der Schicht jeweils Tabletten verabreicht wurden, »um in Stimmung zu kommen«, und dass dort Minderjährige zur Prostitution gezwungen würden. Bei der folgenden Razzia waren in dem Etablissement nicht weniger als 183 Personen anwesend.
Der Boss der Karlsruher Angels war gut etabliert im Milieu. Trotzdem wagte es jemand, ihn herauszufordern.
Die Auseinandersetzung begann, als Miko wegen Streitigkeiten um eine Prostituierte und eine Corvette über den jugoslawischen Kopf einer ebenfalls im Milieu agierenden Bande ein »Stadtverbot« aussprach. Das ließen die Brüder Dejan J., 23, und Dragutin J., 24, nicht auf sich sitzen. Dem Verbot Folge zu leisten, hätte ihre umfangreichen Tätigkeiten in der Prostituiertenszene zwangsläufig beendet und herbe finanzielle Verluste nach sich gezogen. Die Brüder beschlossen, sich zu wehren. Sprengstoff schien ein probates Mittel zu sein.
Im Dezember 2003 scheiterte ein Attentat mit etwa 500 Gramm Plastiksprengstoff auf Miko M. aufgrund eines Wackelkontaktes im Zündmechanismus. Davon
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