Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
die Angeklagten wurden von ihren Brüdern im Gerichtssaal unterstützt und einige der an dem brutalen Überfall Beteiligten sogar in der Vereinshierarchie befördert, etwa Tom P., der zum Prospect ernannt wurde. Der Rädelsführer dieser Tat, Marcel S., erhielt die höchsten Weihen und stieg später zum Präsidenten des Charters West Side auf. Ein solches Verhalten, so der VGH, deutet auf die kriminelle Ausrichtung des Vereins als Ganzes und wird an zentraler Stelle in dem Verbotsverfahren gegen die Pforzheimer Hells Angels angeführt, das im späteren Verlauf des Buches noch ausführlich erläutert wird.
Mit eine derartigen Argumentation wären hohe Haftstrafen möglich gewesen und auch ein Vereinsverbot hätte sich allein mit diesem Überfall wasserdicht begründen lassen. Doch wie schon zuvor beim Erstarken des Hannoveraner Charters beobachteten das niedersächsische und Bremer Innenministerium und die Justizbehörden das Treiben der norddeutschen Hells Angels eher teilnahmslos. Eine zweite Gelegenheit, dieses mächtige Charter zu zerschlagen, sollten die Behörden nicht mehr erhalten. Dabei wäre durch eine konsequente juristische Ahndung und ein Verbot die Situation vielleicht nicht weiter eskaliert und ein Leben gerettet worden.
»Expect No Mercy.« Der erste Tote im deutschen Krieg
Am 23. Mai 2007 gegen 8.28 Uhr fuhren Heino B., ehemaliger Präsident der Bremer Bandidos und nach dem Überfall und der Auflösung seines Chapters zum einfachen Mitglied des Bandidos MC Osnabrück degradiert, und Thomas »Addi« K., 36, ebenfalls Mitglied des Bandidos MC Osnabrück, zum Firmengelände einer Harley-Davidson-Werkstatt in Ibbenbüren-Laggenbeck.
Ob die deutsche Bandidos-Führung dem von den 81ern so Gedemütigten einen Auftrag erteilte, ist zurzeit reine Spekulation. Doch wenn sich etwas gezeigt hat in der Historie der OMCGs, dann ist es der Umstand, dass in dieser Welt alles streng reglementiert ist. Das fängt an bei dem Motorrad, das man fahren darf, geht über die Anwesenheitspflicht bei wöchentlichen Meetings, die Vorschriften über die Zeitabläufe vom Anwärter bis zum Vollmitglied und die Tattoo-Regeln, die nach genau festgelegten Zeitspannen bestimmen, welche Körperteile tätowiert werden dürfen, und reicht bis zu den Vorgaben über erlaubten und verbotenen Drogenkonsum innerhalb des Clubs. Das angeblich so freie Leben in einem der großen weltweiten Clubs selbst ernannter Gesetzloser ist auf überraschende Weise überreglementiert.
Dass die Tat, die Heino B. als Nächstes begehen wird, die isolierte Tat eines hasserfüllten Einzelgängers darstellt, ist nach jetzigem Kenntnisstand auszuschließen. In ähnlich gelagerten Fällen in den USA, Kanada oder Skandinavien wurde später festgestellt, dass viele dieser Taten auf der allerobersten Ebene besprochen und beschlossen worden waren.
Dem Auszubildenden Christian M. fallen die beiden Männer auf, weil sie mehrmals am Firmengebäude vorbeifahren, aber er denkt sich nichts dabei. Wie sollte er auch auf die Idee kommen, dass hier gerade ein Mord ausbaldowert wird. Als sich der Chef des Lehrlings, Robert K., dann allein im Büro befindet, verlässt einer der Männer seinen Van und betritt das Büro. Dort feuert der Schütze mit einer schallgedämpften Pistole auf den in seinem Bürostuhl sitzenden Firmenchef. Das erste Geschoss durchschlägt den Unterarm von Robert K. Dieser versucht noch zu fliehen, doch vier Schüsse lassen ihn bald zusammenbrechen; die Blutspur zieht sich über 30 Meter vom Büro bis in die Werkstatt. Der Vorsitzende Richter wertet diese Vorgehensweise später strafverschärfend als »feigen Schuss in den Rücken«.
Der dritte Treffer ist der tödliche. Das Geschoss dringt links durch den oberen Rücken in den Körper ein, durchschlägt die Rippen und den Herzbeutel und zerfetzt die Aorta, bevor das Projektil durch den Brustkorb wieder austritt. Bei seinem Sturz zieht K. sich noch eine schwerwiegende Kopfverletzung zu, bevor er, in einer Blutlache liegend, auf dem Boden seiner Motorradfirma kollabiert und stirbt. Anschließend stürmt der Todesschütze in den schwarzen Van zurück, in dem sein Komplize mit laufendem Motor wartet.
Robert K., 47, war langjähriges Mitglied und Offizier (Road Captain) des Hells Angels MC West Side. Der Bremer Angel und Motorradmechaniker entwickelte und produzierte in seiner Werkstatt Edelstahllenker und Auspuffanlagen. Robert K. war ein geschätztes Mitglied der Bikerszene und als Pilot eines
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