Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
vehement bestritten. Polizeiexperten sind lediglich die im Geheimen und quartalsweise stattfindenden Germany Meetings der Präsidenten aller deutschen Charter bekannt. Diese Kommission von über 50 Männern ist nach Ansicht der Ermittler aber zu groß und zu schwerfällig, um die schnellen, durchaus auch strafrechtlich relevanten Entscheidungen zu fällen. Der ehemalige Vizepräsident des Kasseler Charters, der Aussteiger Ulrich Detrois, unterstellt in seiner Biografie dem mächtigen Hannoveraner Präsidenten Frank Hanebuth, den Posten eines offiziellen deutschen Präsidenten der Hells Angels eigens für sich neu schaffen zu wollen. Bisher ist es dazu jedoch offiziell nicht gekommen.
Mit der Materie vertraute Polizeiermittler gehen von einer Abstimmung der wichtigsten Charter-Präsidenten Deutschlands in allen entscheidenden Fragen der Bruderschaft aus; insbesondere, wenn es um Leben und Tod geht. Egal ob von Experten, Aussteigern oder Kronzeugen genannt: Der Name Frank Hanebuth fällt in diesem Zusammenhang immer. Der Hannoveraner Präsident aber bestreitet gerade in jüngster Zeit energisch, über solche Befehlsgewalt zu verfügen.
Bis jetzt ist es den Ermittlern weder gelungen, das vermutete oberste Entscheidungsgremium zu identifizieren, noch, in dessen Kommunikationskanäle einzudringen. Wenn diese bundesweite deutsche Führung wirklich existiert, dient ihre Verschleierung einzig und allein taktischen und juristischen Erwägungen. Die offizielle Eigenständigkeit jedes einzelnen Charters in Deutschland und der ganzen Welt erschwert jegliches polizeiliche und juristische Einschreiten enorm. Die bereits ausgesprochenen Verbotsverfügungen in Deutschland gegen die als Vereine organisierten Charter und der damit einhergehende Einzug des Vermögens betreffen somit lediglich einzelne örtliche Niederlassungen. Der gerichtsfeste Nachweis einer zentralen Steuerung aller deutschen Hells Angels ist deutschen Behörden bis jetzt nicht gelungen.
Kanadische Behörden sind ihren deutschen Kollegen in dieser Hinsicht einen großen Schritt voraus. Der kanadische Generalstaatsanwalt und der zuständige Richter in Kanada begründeten die lebenslange Haftstrafe gegen Maurice Mom Boucher auch mit seiner Machtstellung und der daraus resultierenden Befehlsgewalt innerhalb des Hells Angels MC Canada. Das Gericht folgte der Argumentationsführung der Staatsanwaltschaft in seinem Urteilsspruch vom 5. Mai 2002 und stellte fest, dass der weiter vorn beschriebene Mordauftrag an den beiden Justizbeamten in einer streng hierarchisch aufgebauten Organisation wie dem Hells Angels MC nur vom Präsidenten erteilt werden konnte. Dies bestätigte auch der Todesschütze Stéphane Gagné, der den Präsidenten beschuldigte, der Drahtzieher der Morde gewesen zu sein.
Die lebenslange Freiheitsstrafe für Boucher wurde erst durch diese Argumentation ermöglicht.
Zu einer ähnlich fundierten Argumentationskette sehen sich deutsche Behörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte zurzeit anscheinend noch nicht in der Lage.
Hells Angels MC vs. Outlaws MC
Die Hells Angels waren aber nicht nur mit dem Gremium MC und den Bandidos in Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in der Rockerszene verstrickt. Auch der Outlaws MC operierte schon seit Jahren in Deutschland.
Im Juni 2009 verletzte ein Mitglied der Outlaws einen Angel bei einer Schlägerei. Dieser beschloss, sich für die Abreibung zu rächen, und lauerte mit zwei weiteren Brüdern Mitgliedern des verfeindeten Clubs auf. Dass dieser Vergeltungsaktion der 45-jährige Präsident des Outlaws MC Donnersberg zum Opfer fiel, war mehr oder minder willkürlich. Das Rächertrio tötete den Rocker in der Nähe von Stetten im Donnersbergkreis, knapp 40 Kilometer nördlich von Kaiserslautern. Spätabends auf der Landstraße 386 stoppten die Mörder das Motorrad des Outlaws und erstachen diesen.
Ab dem 22. Dezember 2009 standen die zwei Hells Angels, Danny A., 30, und Marcus S., 44, vor dem Landgericht Kaiserslautern. Sie waren angeklagt, an dem Mord beteiligt gewesen zu sein. Der hauptbeschuldigte Angel Björn S., 29, entzog sich diesem Verfahren vorerst durch Flucht.
Um im Rahmen des Prozesses vor dem Landgericht Kaiserslautern befürchtete Auseinandersetzungen von rund 1000 Rockern der verfeindeten Clubs zu verhindern, setzte das Innenministerium Polizeikräfte im Hundertschaftsrahmen in Marsch. Im weiten Kreis um Kaiserslautern wurden polizeiliche Kontrollstellen eingerichtet, in denen die anreisenden
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