Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
angeklagt. Nach Aussage des einzigen Augenzeugen in Tatortnähe, des Auszubildenden Christian M., und dessen Personenbeschreibung war die Staatsanwaltschaft überzeugt, dass Thomas K. der Todesschütze war. Heino B. wurde von der Staatsanwaltschaft der dilettantischen Planung des Mordes beschuldigt. Beide Angeklagten verweigerten jegliche Aussage vor Gericht. Diese Strategie behielten sie bis zum Ende des Mordprozesses bei, der damit zu einem reinen Indizienprozess wurde. Die Bandidos bekannten zwar vor Gericht nicht ihre Schuld, sie leugneten die ihnen vorgeworfene Tat jedoch auch nicht.
Zur Urteilsverkündung standen sich statt der von der Polizei erwarteten 1000 Rocker 400 Hells Angels und 50 Bandidos gegenüber, die mit Harley-Davidsons, Pkws und Reisebussen auf getrennten Anfahrtsrouten das Gerichtsgebäude erreicht hatten. Für vier Bandidos war die Anreise bereits vorzeitig beendet worden, da Polizisten an einem Kontrollposten »gefährliche Gegenstände« in ihrem Wagen auffanden und die Männer festnahmen.
Der kleine Gerichtssaal 023 des Münsteraner Gerichts erlaubte zur Urteilsverkündung nur Abordnungen von jeweils 30 Mann den Zutritt, wobei die beiden Seiten von Spezialeinheiten der Polizei getrennt wurden.
Aufgrund der Indizien sprach die zweite große Strafkammer unter Führung des Vorsitzenden Richters Michael S. am 10. Juni 2008 beide Bandidos des gemeinschaftlichen Mordes für schuldig und verurteilte sie zu lebenslanger Haft.
Nach der rechtskräftigen Verurteilung beider Männer wird bald ein neues Patch ihre Kutte zieren: »Expect No Mercy« – »Erwarte keine Gnade«. Diese Auszeichnung verleiht der Bandidos Motorcycle Club weltweit an Mitglieder, die im Namen oder für den Namen des Clubs einen Gegner getötet oder schwer verletzt haben. Sie ist das Gegenstück zum »Filthy Few«-Abzeichen des Hells Angels MC, das jedoch nach Angaben des FBI ausschließlich dafür verliehen wird, einen Mord für die Bruderschaft begangen zu haben.
Der Bandidos MC Germany nahm immer mehr Männer immer schneller auf. Durch die aggressive Rekrutierung wuchs der Club zu dieser Zeit schneller als der Hells Angels MC Germany und befeuerte die Rivalität so noch mehr. Die Rekrutierung von Thomas P. bei den Hells Angels und Heino B. bei den Bandidos scheint exemplarisch zu sein für die Auswüchse und Folgen der immer aggressiveren Expansionspolitik beider MCs in Deutschland. Ein Hells Angel wird anlässlich der Urteilsverkündung wie folgt zitiert: »Das passiert, wenn solche Idioten wie Heino in Bikerclubs aufgenommen werden. Deshalb sind die Bandidos das eigentliche Problem. Die nehmen inzwischen jeden Schrott auf. Aber Schrott bleibt Schrott.«
Doch diesen Vorwurf hätte er seinem eigenen Club genauso ins Fahrtenbuch schreiben können. Schnelle, überhastete Gründungen in Gebieten und Städten, die noch kein Rivale besetzt hat, und eine Expansion um jeden Preis forderten jetzt ihren Tribut auf beiden Seiten des Konfliktes zwischen Deathhead und Fat Mexican. Der Tod von Robert K. sollte nicht der letzte Blutzoll bleiben, den diese Vorgehensweise einforderte.
Festzustellen bleibt außerdem, dass Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte die beiden Taten, den brutalen Überfall auf die Bremer Bandidos und den heimtückischen Mord an dem Bremer Hells Angel, in keinen größeren Zusammenhang setzten. Weder stellten sie einen bundesweiten noch den internationalen Kontext des weltweiten Rockerkrieges dar, ferner unterließen sie es, sich mit den Befehlsstrukturen zu befassen, die innerhalb beider Organisationen zu herrschen scheinen.
Der Bandidos MC geht mit der Existenz eines deutschen, europäischen, amerikanischen, australischen und weltweiten Präsidiums erstaunlich offen um. Sie machen hohe Ränge im deutschen und europäischen Präsidium durch entsprechende Aufnäher öffentlich: National, Europe, Presidente, Vice Presidente. Das sollte auch für ermittelnde Behörden ersichtlich sein. Der Gremium MC verfährt mit seiner Befehlsstruktur, dem allmächtigen Siebenerrat, genauso. Dieser Rat besteht aus den Präsidenten der sieben mächtigsten Chapter der mittlerweile über 140 Niederlassungen und wird ganz offen auf der eigenen Homepage benannt. Zurzeit stellen die Chapter Mannheim, Karlsruhe, Konstanz, Ludwigsburg, Köln, München und Pforzheim diesen Führungszirkel.
Der Hells Angels MC hält es mit der Transparenz seiner Befehlsstrukturen anders. So wird die Existenz einer gesamtdeutschen Führung
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