Wie die Iren die Zivilisation retteten
beziehe ich mich dabei auf Eure Lieblingstugend. Ihr laßt also zu, daß sie ins 62
mich dabei auf Eure Lieblingstugend. Ihr laßt also zu, daß sie ins Bett springen, wann immer sie wollen, wann immer die Lust sie kitzelt. Es soll ihnen gar nicht in den Sinn kommen, dieses Verlangen bis zum Abend aufzuschieben: So vollzieht Eure ›legitime Vereinigung‹, wann immer Eure ›natürliche Tugend‹ erregt wird. Wenn das die Art von
Eheleben ist, die Ihr führt, so grabt Eure Erlebnisse nicht für eine Debatte aus! «
Hier tritt Augustinus’ ciceronische Ader in ihrer schlimmsten Form zutage. Er argumentiert ohne Rücksicht auf Fairneß oder Wahrheit, er argumentiert nur, um zu gewinnen mit den abwegigsten Argumen-ten, den ad hominem. Wir sollten nicht vergessen, daß sowohl die
westliche als auch die östliche antike Welt die sexuelle Leidenschaft –
besonders bei Frauen – für verachtens-, wenn nicht gar verdammenswert hielt. Augustinus geht noch weiter, und am Ende seines Lebens verurteilt der reformierte Wüstling die Umarmungen einer Frau als
»schmutzig, klebrig und fürchterlich«. Julian schlägt einen neuen Ansatz vor, der sich auf seine Erfahrungen stützt. Doch er ist ein Rationalist, dem erst durch die Gedanken von Thomas von Aquin im
dreizehnten Jahrhundert Gerechtigkeit widerfährt.
Augustinus, der Gefühlsmensch, zeigt hier die Grenzen seines
Empfindens, wenn der Geist sich allem verschließt, was seinen vorgefaßten Meinungen entgegensieht. Augustinus lebte vor der Zeit der Kruzifixe, der Beichten und der Bildnisse der Jungfrau Maria, doch man kann sich vorstellen, daß er all das gutgeheißen hätte. Augustinus selbst ist der blutige corpus, wie Christus zwischen Himmel und Erde gestreckt. Im Schatten des Beichtstuhls hätte er das perfekte Ventil für sein besonderes Mitgefühl gegenüber den Sündigen gefunden: Gegen Pelagius’ Behauptung, ein Mensch sei für jede seiner
Handlungen selbst verantwortlich, hatte Augustinus argumentiert,
daß »viele Sünden ... von Menschen begangen werden, die über ihr
Unglück weinen und klagen«.
Maria, Mutter der zölibatären Kleriker, die der menschlichen Liebe den Rücken kehrten, wäre Augustinus als perfekte himmlische Ent-sprechung seiner eigenen dominanten Mutter erschienen.
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Bei aller Größe wurde Augustinus im Alter der Typus des bösen
Klerikers, voller Gnade für die, die ihn fürchteten; voll schäumender Verachtung für alle, die es wagten, ihm zu widersprechen; indem er behauptete, das Zusammengehen mit Babylon und jedweder vom
Staat geförderten Grausamkeit würde im Namen der Ordnung seinen
Widerspruch ausdrücken. Es gibt kein Land auf der Welt, das nicht immer noch einige Exemplare dieses Typs beherbergt.
Währenddessen auf einer Insel vor der Atlantikküste, wo man von
Augustinus oder seinen Kämpfen niemals gehört hatte ...
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III. Eine schwankende
Welt
der
Dunkelheit
Das unheilige Irland
Im Nordwesten Irlands gibt es eine Ebene mit Namen Rathcroghan*.
Das mittelalterliche Wort rath weist darauf hin, daß hier einmal ein bemerkenswertes – befestigtes – Gebäude stand. In den Jahrhunderten der irischen Prähistorie (also vor dem geschriebenen Wort) nannte man diesen Ort Cruachan Ai, und hier stand der königliche Palast, von dem aus die Provinz Connacht regiert wurde. Ein primitives
Gebäude, von einheimischen Handwerkern aus einheimischen Mate-
rialien errichtet, und doch war es ein Ort, der auch unser heutiges Auge erfreuen würde: rund, hell, mit zwei Geschossen, die von ge-schnitzten Holzsäulen getragen wurden und ein kleines Labyrinth gut geschnittener Räume bildeten. Die Zimmer waren mit rotem Eiben-holz getäfelt, und in der Mitte befanden sich die königliche Halle und das Schlafzimmer – »geschützt von Kupferschirmen mit silbernen
Riegeln und goldenen Vögeln darauf, kostbare Juwelen anstelle der Augen in den Vogelköpfen« (wie solch ein Palast früher beschrieben wurde). Es ist kaum zu glauben, aber wir haben eine Art Bericht über ein Gespräch, das einst in diesem Schlafzimmer stattfand. Wir können sozusagen bei einer zweitausend Jahre alten Unterhaltung zuhören.
Das königliche Bett ist aufgeschlagen, und zwei große Gestalten
legen sich zur Ruhe, wobei sie sich noch unterhalten, wie Männer und Frauen es am Abend zu tun pflegen. Ailil, der König, sinniert:
»Es stimmt wohl, was man sagt, meine Liebe: Die Frau eines reichen Mannes hat es gut.«
»Das stimmt wohl«,
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