Wie die Iren die Zivilisation retteten
Gelehrte Donatus, nach seiner Grabinschrift »Scottorum sanguine creatus « (»von irischem Blut«), wurde zum Bischof von Fiesole ge-wählt, wo er beinahe fünfzig Jahre lang regierte. Der Heilige Cathal (oder Cahill in der modernen Schreibweise), der bis zum heutigen Tag in Süditalien als San Cataldo verehrt wird, stellte auf dem Rückweg von seiner Pilgerreise in das Heilige Land überrascht fest, daß er zum Bischof von Tarent gewählt worden war, eine Stadt am Absatz des italienischen Stiefels. Auch weibliche Exil-Iren zogen umher; und auch wenn wir weniger über sie wissen als über die Männer, weisen doch die der Brigid geweihten Kirchen in Frankreich, Deutschland, Österreich und Italien auf ihre Anwesenheit hin. 1977 fand man in Amay in Belgien sogar einen Sarkophag, der auf keltische Art geschmückt ist und das Bild einer Frau zeigt (mit der mysteriösen Bezeichnung »Sankt Chrodoara«), die den Krummstab eines Bischofs
hält. Mehr als die Hälfte der Bibelkommentare aus der Zeit zwischen 650 und 850 stammen von Iren. Vor Ende des achten Jahrhunderts
bereits hatten die Auswanderer Modra in Mähren erreicht; dort wur-de eine alte Kirche ausgegraben, die genauso aussieht wie die kleine Kirche in Glendalough; und es gibt bis nach Kiew Spuren der Weißen Märtyrer. Doch eine Auflistung aller Missionare und ihrer Werke
würde ein ganzes Kapitel füllen. Gesagt sei nur noch, daß Heiric von Auxerre in seinem Leben des Sankt Germanus noch 870 ausrufen kann:
»Beinahe ganz Irland erklimmt trotz des Meeres mit einer Herde von Philosophen unsere Ufer! «
Zu diesem Zeitpunkt war die Weitergabe der europäischen
Zivilisation gesichert. Wo immer sie hinkamen, brachten die Iren
Bücher mit, die Europa jahrhundertelang nicht gesehen hatte; als
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Die wichtigsten Zentren des irischen Einflusses
die Europa jahrhundertelang nicht gesehen hatte; als Zeichen des
Triumphs hingen sie wie einst die Köpfe der Feinde an den Gürteln der irischen Helden. Wo immer sie hinkamen, gaben sie ihre Liebe
zum Lernen und ihre Fertigkeiten in der Buchkunst weiter. In den
Buchten und Tälern ihres Exils führten sie die Kunst des Lesens und Schreibens wieder ein und hauchten der erschöpften literarischen
Kultur Europas neues Leben ein.
Und so retteten die Iren die Zivilisation.
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VII. Das Ende der Welt
Gibt es noch Hoffnung?
Zu Pfingsten des Jahres 597, nur wenige Tage bevor der mächtige
Columcille in seinem Inselkloster in Iona den letzten Atemzug tat, wurde ein englischer König in seiner Hauptstadt Canterbury getauft, von einem schüchternen Bibliothekar, den Gregor der Große ausge-sandt hatte, um die Engländer zu evangelisieren.* Patrick hatte den Iren zwar mehr als anderthalb Jahrhunderte zuvor das Evangelium
gebracht, und Columcille war vierzig Jahre zuvor zu den Schotten
gereist, aber dies ist der erste päpstliche Anlauf, die Heiden zu mis-sionieren. Hier beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte Britanniens, dessen erste christliche Einwohner – die keltischen Briten aus Patricks Tagen – durch die plündernden heidnischen Angeln, Sachsen und Jüten langsam immer weiter nach Westen abgedrängt worden
waren, während die heidnischen Stämme Ostbritannien ihr eigen
nannten. Als Columcille starb, hatten sich diese germanischen Siedler längst in Südbritannien niedergelassen, das sie nun England nannten.
Auch ihren Gebieten hatten sie neue Namen gegeben wie Kent, Essex (Ost-Sachsen), Wessex und Sussex (Süd-Sachsen). Sie drängten die
keltischen Britanier noch weiter nach Westen ab – auf die cornische
* Die unbekümmerte Einstellung der Römer zur Sklaverei, die sich so deutlich von der Patricks unterschied, kommt in der berühmten Anekdote um Papst Gregors erste Begegnung mit den Engländern gut heraus. Als er über den römischen Sklavenmarkt geht, fällt ihm ihre blonde Schönheit auf. Als er fragt, was für Männer das seien, lautet die Antwort »Angli« (Angeln oder Engländer). Der schlagfertige Gregor läßt sich zu einem Wortspiel herab und sagt, sie trügen den passenden Namen, denn sie sähen aus wie angeli, Engel. Er macht noch zwei weitere Wortspiele und beschließt, daß die Engländer evangelisiert werden sollen. Die Gefangenen aber läßt er verkaufen.
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Halbinsel und über den Severn nach Wales hinein. In Norden dran-
gen sie bis hinter den Hadrianswall und zum Fluß Tweed, der Grenze des heutigen Schottland, vor, wo sie ihr Königreich Northumbrien
gründeten. Ihr
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