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Wie die Iren die Zivilisation retteten

Wie die Iren die Zivilisation retteten

Titel: Wie die Iren die Zivilisation retteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Cahill
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unablässiger Druck war für ihre Opfer, die alten Briten, der Knackpunkt. Die Briten waren sowohl keltisch als auch christlich und haßten ihre heidnischen Feinde. Niemals wären sie auf die Idee gekommen, diesen Ungeheuern das Evangelium zu bringen.
    Die irischen Kelten, die nicht unter den Angelsachsen gelitten hatten, kannten keine derartigen Hemmungen. Wie die neuen Engländer
    in die alten keltischen Gebiete eingedrungen waren, so begannen die irischen Mönche nun eine geistige Invasion Englands von ihrem
    Inselkloster Lindisfarne in der nordöstlichen Ecke Northumbriens aus und gründeten rasch hintereinander neue Klöster. Aufgrund dieser
    Aktivitäten hätte Aidan, Columcilles geliebter Jünger und erster Abt von Lindisfarne, mit mehr Recht als Augustinus von Canterbury den Titel »Apostel von England« verdient, denn, wie der schottische
    Historiker James Bulloch bemerkte: »Ganz England nördlich der
    Themse verdankte der keltischen Mission seine Bekehrung«. Aber
    Lindisfarne war nicht der einzige Ausgangspunkt der irischen Mön-
    che: Sie verstanden sich gut mit den britischen Kelten und schufen sich auch in den westlichen Gebieten ihre Basis.
    Doch das strengere römische Christentum des augustinischen Can-
    terbury verbreitete sich ebenfalls nach Norden und Westen durch die englischen Gebiete und mußte irgendwann auf das keltische treffen, das aus der anderen Richtung kam. Ein Zusammenprallen von Ge-bräuchen und Empfindungen war wie schon bei Columbanus und
    den burgundischen Bischöfen unvermeidlich. Der Streit wurde im
    Jahre 664 auf einer Synode in der Abtei von Whitby in Northumbrien beigelegt, als der König von Northumbrien für die »römische« Gruppe entschied – das heißt für die Erben von Augustinus’ päpstlicher Mission.
    Der hauptsächliche Streitpunkt – wie es übrigens auch bei der burgundischen Synode der Fall war – war das korrekte Datum der Oster-feiertage. Die römische Gruppe hielt die keltische Berechnung, die nur um einige Tage von ihrer eigenen abwich (oder nach einigen Jahren 171
    um Wochen) für geradezu ketzerisch. In den frühen, von den Feinheiten griechischen Denkens dominierten Jahrhunderten der Kirche
    mußte man schon die Beziehung zwischen Christi göttlicher und
    menschlicher Natur mißverstehen oder behaupten, er sei mehr als
    eine Person oder etwas ähnlich Obskures, um sich als ordentlicher Ketzer zu qualifizieren. Die ersten Kirchenväter hätten sich kaum mit etwas so Unsinnigem wie der Kalenderberechnung abgegeben. Es ist
    ein Beweis dafür, wie armselig und unflexibel das Denken in diesem Zeitalter geworden sein mußte, wenn ein Tag im Kalender beinahe
    eine Spaltung auslösen konnte.
    Doch die irische Gruppe gab nach – unter einigem Protest, der sich jedoch schließlich auflöste. Sie willigten, wenn auch zögernd ein, daß ihr göttlicher Vater Columcille, dessen Name mit all ihren Gebräuchen verknüpft war, den zweiten Platz nach Petrus einnahm, dem
    Oberhaupt der himmlischen Apostel, in dessen Namen die römische
    Gruppe stritt. Die Lösung war wie das Problem kleingeistig: Unsere Reliquien – die Knochen unseres Gründers – sind heiliger als eure, deshalb ist Rom größer als Iona, und deshalb haben wir das Recht auf unserer Seite.
    Das Szenario von Whitby haben Anglikaner und römische Katholi-
    ken noch oft wiederholt, um ihre gegensätzlichen Positionen zu
    verteidigen, und es ist beinahe unmöglich, einen Historiker dieser Zeit zu lesen, bei dem keine Voreingenommen- heit zu spüren wäre.
    Angelikaner nehmen den Zusammenstoß als Beweis dafür, daß es
    bereits vor der römischen Einmischung eine eigene »britische« Kirche gegeben hatte. Katholiken bewerten das Einlenken der Kelten als
    Beweis dafür, daß die keltischen Christen, wenn sie einmal gründlich nachdachten, einsahen, daß Rom die notwendige Norm der Orthodoxie darstellte. Meiner Meinung nach ist aus diesem Zusammenstoß
    viel zuviel gemacht worden – vor allem, weil unsere Quelle, Beda (ein Historiker-Mönch, der im frühen achten Jahrhundert in der Abtei von Jarrow, einem Ableger von Lindisfarne, arbeitete), soviel daraus
    macht. Ganz ein Mann seiner Zeit (und ein fesselnder Geschichtener-zähler), bewunderte Beda zwar die irische Spiritualität und Bildung, war aber auch schmerzlich überzeugt davon, daß Uniformität von
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    großer Wichtigkeit sei. Eine ausgewogenere Sichtweise bietet Cummi-an an, ein irischer Abt, der dazu beitrug, die keltische Gruppe von der

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