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Wie die Libelle in der Wasserwaage

Wie die Libelle in der Wasserwaage

Titel: Wie die Libelle in der Wasserwaage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almut Irmscher
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meinen zaghaften Versuch, Ahnungslosigkeit zu heucheln, rigoros weg wie eine erschlagene Schmeißfliege. Ich solle nur ja nicht den Fehler machen, zu denken, sie sei blöd. Meine Hände wurden feucht von kaltem Schweiß. Wo war ich da nur hineingeraten?
    Sie habe natürlich bemerkt, dass eine erhebliche Dosis Insulin verschwunden sei. Tja, ich hätte wohl gedacht, darüber führe niemand so genau Buch. Das sei aber ein dummer Irrtum gewesen. Sie habe die Bestände aus gutem Grund ganz genau im Blick.
    Der Tod von Frau Kremer sei natürlich das Beste für die alte Frau gewesen. Und ihr Nachfolger war ohnehin fällig zum Einzug ins Heim, der Platz wurde benötigt. Die Gebühr war nämlich bereits entrichtet worden. Also hätte ich ihr damit Tor und Tür geöffnet und die Mühe abgenommen. Sie habe deshalb für dieses eine Mal weggesehen. Das Blut rauschte in meinem Hirn. Ich begriff nicht, was sie da sagte. Was zum Teufel meinte sie damit?
    Sie sei davon ausgegangen, dass es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe. Jugendlich argloses Mitleid, aus dem heraus ich mich in der festen Überzeugung, das Richtige zu tun, zur Euthanasie entschieden hätte. Nicht in Ordnung, nein, keineswegs in Ordnung, aber nachvollziehbar und letztlich hinnehmbar. Denn wie schon gesagt, Frau Kremer war ohnehin an der Reihe.
    Aber mit Josef Zimbach sei ich nun wirklich zu weit gegangen. Sie war schon kurz davor gewesen, die Tochter der dementen alten Dame, die seine Zimmernachfolgerin war, zur Zahlung der vollen Gebühr zu bewegen. Ein paar Tage noch, und sie hätte bezahlt, keine Frage. Der Leidensdruck wuchs schließlich ununterbrochen. Sie wäre schon sehr bald mürbe genug gewesen, um zwanzigtausend zu zahlen.
    Aber dann sei ich gekommen und hätte ihr ins Handwerk gepfuscht. Der völlig überraschende, plötzliche Tod von Josef Zimbach, diesem netten, aufrechten alten Herrn, hätte sie dazu gezwungen, der Tochter ein Dumpingangebot zu machen, damit überhaupt noch etwas dabei herausspringe. Denn ansonsten hätte der Heimausschuss binnen kürzester Zeit darauf bestanden, den freien Platz mit dem nächsten alten Menschen auf der offiziellen Warteliste zu besetzen. Und diese Leute zahlten keine Aufnahmegebühr. So war das.
    Ich verstand endlich. Perlenkette und Goldhalsband erschienen plötzlich in vollkommen neuem Licht. Die Dame verschaffte sich ein sattes Nebeneinkommen mit dem Verteilen von Heimplätzen unter der Hand. Hatte sie einen zahlungswilligen Kunden gefunden, so musste eben einer der Altbewohner abtreten. Ganz einfach. Was für eine naive Versagerin ich doch war! Man muss gucken, wo man bleibt, auf dieser Welt, und dazu muss man sich eben etwas einfallen lassen. Und zwar etwas Profitables. Wie blöd war ich, dass ich das noch immer nicht begriffen hatte!
    Sie könne es nicht zulassen, dass ihr Geschäft von unkontrolliert handelndem Personal durcheinandergebracht werde, fuhr sie fort. Deshalb sei für mich in ihrem Hause kein Platz mehr. Auf ihr Schweigen könne ich mich freilich verlassen, genauso wie sie sich ja auf meines verlassen könne. Schließlich hätten wir beide viel zu verlieren. Dann schob sie mir konspirativ einen dicken Umschlag über den Tisch zu und lächelte jovial.
    Zwar passe es ihr überhaupt nicht, wie die Sache mit Josef Zimbach abgelaufen sei. Aber der Fall sei nun mal erledigt, und sie finde, die Aufnahmegebühr stehe mir zu. Sozusagen als Abfindung. Ich könne mich als fristlos gekündigt betrachten.
    *
    Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Mit der Bahn fuhr ich nach Hause und setzte mich erst mal auf mein Bett. Zum Glück war Heidi nicht da, ihr Rum-seliges Geplapper wäre das Letzte gewesen was ich jetzt gebrauchen konnte. Ich musste nachdenken. Vor allen Dingen musste ich zunächst einmal wieder klar werden. Denn ich wusste noch immer nicht, wie mir geschehen war.
    Die alte scheinbrünette Hexe hatte alles durchschaut. Aber noch viel schlimmer war ihr eigenes Konzept. Wie konnte das möglich sein? Funktionierte unsere Welt nur auf Basis von Kriminalität? Kein Wunder, dass es Gesetze ohne Zahl gab. Wer weiß, wie unsere Gesellschaft ohne Gesetze aussehen würde, wenn sie schon mit Gesetzen ein dunkler Moloch war!
    Da saß ich nun. Die unverhoffte Gabe der Scheinbrünetten und der Rest meines in Italien erworbenen Kunstgeldes waren ein hübscher Grundstock. Doch nichts in Anbetracht der Scherben, vor denen ich stand.
    Langsam wurde ich ruhiger. Ich sah die Abscheulichkeit meines möblierten

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