Wie die Libelle in der Wasserwaage
an der Seite eines Altenpflegers? Bestenfalls wäre ich am Ende wie die geschäftsgewandte Scheinbrünette geworden. Und das war keine Zukunftsperspektive für mich. Ganz entschieden nicht!
Also hielt ich Tafari mit unbestimmten Worten über den Verlauf der Zukunft bei der Stange. Schließlich wusste ich ja nicht, wie sich der erdachte angeschlagene Gesundheitszustand meiner Mutter weiterentwickeln würde. Das wusste ich genauso wenig, wie ich die zukünftige Entwicklung der Realität vorhersagen konnte.
*
Eines Abends dann, auf dem kostbaren Rolf-Benz-Ledersofa, wurde Hoch-Tief-Heinz zudringlich. Die Stunde der Wahrheit war gekommen. Ja, ich hätte mir vorher überlegen müssen, wie ich darauf reagieren würde. Und natürlich hatte ich auch darüber nachgedacht.
Doch wenn man plötzlich in einer Situation drinsteckt, dann ist es ganz anders als alle Theorie.
Die Karnevalszeit neigte sich ihrem Höhepunkt zu und wir hatten bis tief in die Nacht in der Bar von Tom bei der obligatorischen Kölschen Stimmungsmusik gefeiert. Was ich übrigens nicht übermäßig angenehm gefunden hatte. Denn zu allem Überfluss gab es an diesem Abend in der Bar nichts als Cola, Wasser, Limonade und Bier. Womit soll man sich denn bitteschön die Dinge schöntrinken, wenn man Bierhasser ist?
Infolgedessen war ich völlig nüchtern, Hoch-Tief-Heinz hingegen zur Abwechslung nicht whiskey-, sondern bierselig. Keine gute Ausgangsbasis. Seine säuerliche Fahne war unerträglich.
Die feuchte Hand auf meinem Knie, der faulige Odem in meiner Nase, seine alkoholglasigen Augen, all das raubte mir den Verstand. Ich empfand nur noch Ekel. Alle taktischen Überlegungen gingen über den Jordan. Ich wich zurück und zog meinen Rock weiter nach unten, als es ihm gut tat. Die teuren Nähte krachten.
Nicht so schnell, Heinz, versuchte ich die Situation zu besänftigen. Ich brauche mehr Zeit, ich sei das nicht gewöhnt – Himmel, ich verhaspelte mich. Ich war doch die lateinamerikanische Unschuld, keusch und unbedarft, er war im Unrecht, wie konnte er mich dermaßen kompromittieren? Hatte er mich nicht damit zugetextet, er sei beinahe eine ehrenhafte Kölsche Jungfrau geworden und der Anständigkeit allein schon deshalb auf ewig verpflichtet?
Also musste ich die Rolle des verwirrten, von der Situation überfahrenen Mädchens konsequent durchspielen. Ich versuchte, zu erröten. Ob das gelang, weiß ich nicht, aber es half mir, meine Konzentration wiederzufinden.
Der Kerl war besoffen, morgen würde er mir alles glauben. Ich stand auf und holte ihm einen Whiskey. Gib mir noch ein bisschen Zeit, raunte ich ihm zu, morgen, wir werden sehen, bitte bedränge mich nicht, ich bin so durcheinander, ich weiß gar nicht, wie mir geschieht. Ich setzte all mein theatralisches Potenzial ein.
Weiter Süßholz raspelnd begann ich, mich diskret zurückzuziehen. In meinem Dachzimmer angekommen, verriegelte ich die Türe und warf mich erschöpft aufs Bett. Au Mann. So easy wie gedacht war meine Strategie wahrhaftig nicht.
Was wollte ich denn nun wirklich? War ich dazu bereit, mich zu prostituieren, um bei Hoch-Tief-Heinz an der Stange zu bleiben? Ganz ehrlich hatte ich gehofft, dass sich vielleicht gewisse Gefühle einstellen würden, die mir die Sache erleichtern würden. Frisch verliebt in Heinz sähe die Welt doch viel rosiger aus. Aber da war kein Gefühl, so beharrlich ich auch danach forschte. Was nun?
*
Die Situation erforderte einen neuen, passablen Plan, mit dem ich leben konnte. Als wir uns am nächsten Tag begegneten, es war schon früher Nachmittag, da setzte ich gekonnt den scheu-bestürzten Gesichtsausdruck auf, den ich konsequent vor dem Spiegel einstudiert hatte. Was denn los sei, fragte er mich erwartungsgemäß, und ich erwiderte planmäßig, der Abend sei schön gewesen, doch habe es mich erschreckt, so weit gegangen zu sein. Er sah mich verunsichert an. Volltreffer!
Das sei schon in Ordnung, besänftigte ich ihn. Ich sei ihm wirklich sehr zugetan, nur solch direktes Feuer nicht gewöhnt. Trotzdem sei es wundervoll gewesen. Dabei sah ich ihm tief in die Augen. Er schmolz dahin. Er glaubte jedes unausgesprochene Wort.
Nun musste ich auf Zeit spielen. Und das war nicht einfach.
*
Ich konnte meinen Plan im Grunde als gescheitert betrachten. Mit Hoch-Tief-Heinz war an eine ernste Beziehung nicht wirklich zu denken. Er hatte sein Blackberry. Mit dem wollte ich nicht in polygamer Beziehung leben. Und abgesehen davon hatte er nichts. Außer Geld.
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