Wie die Libelle in der Wasserwaage
reden. Vermutlich wollte er ja nur helfen, wie es so seine Art war. Aber diese Form der Hilfe war echt fatal.
Ich rief ihn an und erzählte, die nette Haushälterin meines Vaters habe mich gewarnt, weil offensichtlich jemand Recherchen über mich anstellen würde. Ob er dahinterstecke?
Er war ganz kleinlaut. Der Idiot hatte einen Detektiv beauftragt, der Namen und Anschrift meines Vaters herausfinden sollte. Danach wollte er sich mit ihm in Verbindung setzen und ihm klarmachen, dass er seine Tochter anders behandeln müsse. Oder auch nicht. So richtig war er sich darüber noch nicht im Klaren.
Ich regte mich fruchtbar auf. Dann würde mein Vater doch sofort wissen, wo ich mich aufhielt! Außerdem war mit meinem Vater nicht zu reden, er solle das lassen, und zwar umgehend! Hoch-Tief-Heinz versprach es mir beschämt. So ein Schwachmat!
Maria Pilar antwortete ich, dass ich überhaupt nicht verstehe, von was sie da schreibe. Sie möge das doch bitte erklären, wer zum Teufel sei denn Señor Estevan, und was hätte das alles mit mir zu tun? Das könne ich überhaupt nicht nachvollziehen, also wirklich!
Sie antwortete mit beredtem Schweigen. Die blöde Kuh!
*
Dann, eines Tages im August, als das Wetter herrlich war und meine Laune einen euphorischen Gipfelpunkt erreicht hatte, klingelte mein Telefon und riss mich jäh aus allen Glücksgefühlen. Was ist überhaupt Glück? Die Ekstase des Augenblicks, ein flüchtiges Hochgefühl, allzeit bereit, von der nächsten Depression abgelöst zu werden.
Am Telefon war Joe.
Tja, cool, da hätte er mich ja gleich erwischt, er sei jetzt nämlich fertig in Berlin, ab sofort wäre er wieder im guten alten Köln, geil, oder? Wir müssten uns dann unbedingt treffen, zwei Verbündete aus Berlin im Städtchen Köln, was für eine Wahnsinnsnummer! Ich schluckte. Ja klar, cool. Total cool!
*
Ein paar Abende später hatte ich frei und traf Joe in einem Biergarten. Das Wetter war herrlich, und freundlicherweise gab es hier nicht nur Bier sondern auch ganz passablen Wein. Wir tauschten die üblichen Belanglosigkeiten aus, mit denen man ein Gespräch einleitet, wenn man sich eigentlich gar nicht kennt und nicht weiß, worüber man miteinander reden soll. Ich erzählte ihm von meinen Studienplänen und meinem Job in der Bar. An dieser Stelle horchte er auf.
In der Nähe vom Zülpicher Plätz wäre das? Na, eine ganz schön finstere Gegend. Da trieben sich jede Menge Junkies rum. Außerdem natürlich auch viele Studenten, weil die Uni ja nicht weit entfernt ist. Ob ich nicht Lust hätte, mir ein kleines Taschengeld dazuzuverdienen? Denn in meiner Bar hätte ich die optimale Ausgangsposition für ein lukratives Nebengeschäft.
Sicher würde ich mich doch noch an das kleine Ice-Pfeifchen erinnern, das wir zusammen geraucht hätten, oder? Nein, nein, keine Angst, er würde mir kein zweites anbieten, er habe schon verstanden, das sei eben nichts für mich. Aber dafür sei es umso mehr etwas für andere. Gerade Studenten nähmen es gerne als Aufputschmittel, in manchen Studiengängen müsste man auch Enormes leisten, das sei gar nicht einfach, zumal wenn man noch einen Job habe, um das Studium zu finanzieren. Dabei sah er mich mitleidsvoll an. Was wollte der Blödmann mir denn damit eigentlich sagen?
Eine schöne Sache sei da Methamphetamin, fuhr er fort. Ein halbsynthetisches Stimulans auf der Basis von Ephedrin, aus dem es durch Sauerstoffabspaltung gewonnen werde. Alles klar?
Wir hätten ja damals Ice geraucht, mittlerweile habe er sich auf Crystal Meth verlegt, denn das werde geschnupft und wirke damit klarer und schneller. Es verringere das Schlafbedürfnis und steigere die Leistungsfähigkeit, die ideale Studentendroge also.
Ich hörte aufmerksam zu. Das klang ja super. Warum wurde es denn dann nicht an den Eingängen zu den Hörsälen verteilt?
Nun ja, nun ja, so einfach war das natürlich alles nicht. Es war nun einmal eine Droge und leider illegal. Man würde es auch als Dopingmittel verwenden, was natürlich auch nicht erlaubt war, tja, so sei das nun einmal in unserer restriktiven Gesellschaft. Cannabis sei ja auch verboten, Raucher würden mehr und mehr stigmatisiert, man lasse uns nur noch den Alkohol, und der sei ja nun wirklich schädlich, was allgemein bekannt sei. Aber weil die Menschen schon seit Jahrtausenden Alkoholiker sind, lassen sie sich das einfach nicht mehr nehmen. Kein Politiker käme damit durch. Zu was ein Alkoholverbot führen würde, habe die Prohibition
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