Wie die Libelle in der Wasserwaage
abgeschlossen. Danach wollte er weiter hinaus, das Studium war erst der Anfang. Ein anderer studierte parallel auch noch Astronomie. Je mehr Wissen, desto besser, war wohl seine Idee.
Die wenigen Frauen, die mit mir das Studium begannen, schätzte ich mit stutenbissiger Skepsis ab. Es ist ja kein großes Geheimnis, dass ich mit Frauen nicht so gut klar komme. Männer sind einfacher, klarer strukturiert, und das meine ich jetzt nicht negativ. Frauen sind viel komplexer, aber auch viel durchtriebener. Und was für Erfahrungen mit Frauen hatte ich schon gemacht, welche Ankerpunkte gab es da? Meine grabeskalte Mutter? Meine intriganten Mitschülerinnen? Das waren doch wahrhaftig keine Gestalten, die man sich zum Vorbild nehmen könnte. Das war die Abschreckung pur!
Und später? Madama l’Atachè in ihrem kühlen Egozentrismus, Maria Pilar mit ihrem unterwürfigen Alltagsmanagement, die eisig funktionierende Stations-Sonja, die materiell-skrupellose Scheinbrünette, die saufende einäugige Heidi. Was für Weiber waren das? Mit Sicherheit keine, die mir als Vorbild dienen oder die ich als Freundin akzeptieren könnte. Frauen waren mir aufs Äußerste suspekt. Und das waren sie selber schuld.
*
Corinna war ein treuherziges Mädchen. Sie hing sich sofort mit einer naiven Zuneigung an mich, die mich ehrlich erschütterte. Corinna war erst neunzehn und hatte gerade ihr Abitur abgelegt, insofern gehörte sie zu den Greenhorns. Vielleicht sah sie in mir eine Art von Mutterersatz. Jedenfalls wurde ich sie vom ersten Tag an nicht mehr los.
Corinnas Eltern waren wohlhabend. Ihr Vater hatte irgendeinen gut dotierten Aufsichtsratsposten, die Mutter war Erbin einer industriellen Dynastie. Geld war im Überfluss vorhanden. Um die Finanzierung ihres Studiums musste sich Corinna, im Gegensatz zu den meisten anderen, keine Sorgen machen. Geld spielte ganz offensichtlich keine Rolle. Das fand ich ekelhaft. Schließlich hatte ich mir alles sauer erarbeiten müssen. Mir war nun wirklich nichts in den Schoß gefallen.
Wir waren beide Erstsemester, das hieß, dass wir die meisten Vorlesungen und Seminare gemeinsam besuchten. So viel Gemeinsamkeit ließ mir wenig Raum zum Rückzug. Corinna wurde meine Kommilitonin, meine unausweichliche Studienbegleitung. Sie war einfach immer da. Und manchmal mochte ich sie sogar.
Sie hielt mir immer einen Platz frei, wenn ich wie üblich in letzter Sekunde oder gar zu spät bei den Vorlesungen eintraf. Verabredeten wir uns im Erfrischungsraum, dann brachte sie mir unaufgefordert einen Cappuccino. Sie half mir, wenn ich etwas vergessen hatte, und als ich in Mathematik etwas partout nicht begreifen konnte, da übte sie mit mir und ließ so lange nicht locker, bis der Groschen endlich gefallen war.
Waren wir nicht zusammen, dann schickte sie mir regelmäßige SMS, erzählte darin, was es Neues gab oder bekundete einfach nur freundliche Aufmerksamkeit. Ich muss gestehen, dass mich das Ganze maßlos irritierte. Irgendeinen Zweck verfolgte sie doch wohl damit, aber ich vermochte mir beim besten Willen nicht vorzustellen, welcher das sein sollte. Ihrem Ränkespiel unwissend ausgeliefert zu sein, trieb mich fast in den Wahnsinn.
Ich blieb trotzdem immer freundlich und zugewandt. Am Ende würde ich schon herausfinden, was das alles sollte.
Allerdings muss ich auch zugeben, dass mir ihre naiv-oberflächliche Art einigermaßen auf den Nerv ging. Sie schien sich für ein tolles Mädchen zu halten, aber in Wirklichkeit hatte sie noch nichts von der wahren Welt gesehen, noch nichts erlebt. Natürlich meinte sie das Gegenteil von sich, denn dank ihrer reichen Eltern hatte sie schon jede Menge von der Welt gesehen, Beach-Clubbing in Mexiko, Hochseefischen in Ecuador, Shoppen in Hong Kong, Ayurveda in Indien, Golfen auf Mauritius. Die künstliche Plastik-Glitzerwelt für die Reichen und Schönen, die sie auf den Reisen mit ihren Eltern erlebt hatte, hielt sie für die große, weite Welt und sich selbst für eine gewandte Globetrotterin. Was für ein nichtsahnendes Dummchen sie doch war!
Wenn sie mir Neuigkeiten aus ihrem Alltag erzählte, schüttelte ich innerlich den Kopf, auch wenn ich ungeteilte Aufmerksamkeit heuchelte. Alles, was sie erzählte, war so banal, von so absolut lächerlicher Trivialität, ich konnte nicht nachvollziehen, dass ihr nicht die Worte, die sie formen musste, um mir davon zu berichten, zu schade waren. Ihre Geschichten waren doch der Mühe nicht wert! Sie verstieg sich in sinnlosem
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