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Wie die Libelle in der Wasserwaage

Wie die Libelle in der Wasserwaage

Titel: Wie die Libelle in der Wasserwaage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almut Irmscher
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stickigen Hörsälen. Die schlechte Luft, der Geräuschpegel, der monotone Vortrag, die allzu kurze letzte Nacht, all das sei ganz schön ermüdend. Ob sie nicht Aufputschmittel nähmen, fragte ich scheinbar ganz naiv, das machten doch alle?
    Sie sahen mich erstaunt an. Klar, das mache er manchmal, entgegnete einer der Typen ganz unbefangen. Sofort wandten sich die erstaunten Gesichter in seine Richtung. Es entspann sich eine Diskussion um Drogen mit aufputschender Wirkung, die echt vom Allerfeinsten war. Und ich war platt!
    Es war am Ende nur logisch, dass ich mitten in die Diskussionsrunde den Satz hineinwarf, wenn jemand das mal ausprobieren wolle, ich hätte da noch was vorrätig. Und wieder gehörten die erstaunten Gesichter mir.
    Joe hatte mir für den Anfang einen nicht zu hohen Festpreis vorgeschrieben. Sozusagen als Einführungsangebot. Später könnte man dann austesten, was der Markt hergebe. Sein Crystal Meth sei schließlich von allerfeinster Qualität und nicht zu vergleichen mit dem billigen Schrott, der aus dem Osten importiert werde. Das Zeug war nämlich so gut wie immer verunreinigt.
    Alle acht kauften ein Kristall zum Ausprobieren. Das war der Hammer, oder?
    *
    Und schon lief mein Business! Die Kunden kamen wieder, und sie vermittelten mir weitere. Es setzte ein regelrechter Boom ein.
    Die Geschäfte wickelte ich diskret ab, denn natürlich durfte Tom nicht dahinterkommen. Mit so etwas verstand er keinen Spaß. Erst letztens hatte er mir ausführlich die Geschichte von seinem kiffenden Barkeeper erzählt, der sehr schnell ein Ex-Barkeeper geworden war. Sein Laden blieb clean! Da gab es kein Pardon. Also ging ich kein Risiko ein. Tom ahnte nichts von meinem Nebenerwerb.
    Meine monatlichen Einkünfte wuchsen rasant, es war perfekt. Ich bot sogar Hoch-Tief-Heinz einen Fünfhunderter an, den er vehement ablehnte. Aber ich bestand darauf, dass er ihn nehmen müsse. Es sei mir absolut wichtig. Und das war es auch. Als er das Geld schließlich zähneknirschend einsteckte, fühlte ich mich enorm befreit. Schließlich hatte ich ja noch genug Geld und erstmals lag eine aussichtsreiche Zukunft vor mir. Phantastisch! Ich fühlte mich großartig.
    *
    Im Oktober wurde es Ernst. Das Wintersemester fing an. Ich war ziemlich aufgeregt, als ich zur Einführungsveranstaltung ging. Schließlich was dies der erste Tag vom Rest meines Lebens.
    Wie würden die anderen sein? Würde ich auffallen als Exotin, dumme, verirrte Nuss, die nicht gleich nach dem Abi die richtigen Weichen gestellt hatte? Wäre ich die Außenseiterin wie schon zur Schulzeit? Die, die niemand leiden mag?
    Die anderen Studienanfänger waren ganz normale Leute. Ich muss zugeben, das erstaunte mich. Sie waren freundlich und offen, vielleicht genauso ängstlich wie ich, sollte das so gewesen sein, dann überspielten sie es so geschickt wie ich selbst.
    Und ich war mitnichten ein Gruftie! Mit meinen dreiundzwanzig Jahren lag ich im ganz normalen Altersschnitt. Denn man durfte nicht unterschätzen, dass es damals noch die allgemeine Wehrpflicht gab. Die griff zwar nicht bei den Mädchen, aber die schienen sich ohnehin nicht so sehr für Geowissenschaften zu interessieren. Die meisten Studienanfänger waren jedenfalls männlich und mindestens Mitte zwanzig.
    Wenn ich jetzt mal ganz ehrlich sein soll, dann muss ich sagen, dass ich die Wehrpflicht schon immer als schreiende Ungerechtigkeit empfand. Ich meine, warum sollen junge Männer eine Bürde tragen, von der junge Frauen verschont bleiben? Wo bleibt denn da die Emanzipation? Wenn wir alle gleich sein sollen, dann reicht es nicht, dass wir die gleichen Rechte haben, dann müssen wir auch die gleichen Pflichten tragen. Das erschien mir schon immer als völlig logisch. Alles andere ist doch verlogene Heuchelei. Und ich fand es ganz egal, dass es für uns Frauen auf diese Art natürlich viel bequemer war. Man nimmt ja gerne Rechte in Anspruch, ohne gleichzeitig Pflichten zu tragen. Aber gerecht ist gerecht. Auch, wenn Alice Schwarzer mich dafür vielleicht steinigen würde. Ich hatte nämlich schon immer einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Und die innere Stimme geht immer vor. Nur, was diese sagt, taugt als Lebensmaxime, alles andere ist übernommen und nicht authentisch, es kommt nicht aus dem tiefsten Inneren der eigenen Seele.
    Und es waren interessante junge Männer, die da ihr Studium der Geowissenschaften aufnahmen. Einer hatte nach dem Bund erst mal eine Lehre als Werkzeugmacher

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