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Wie die Libelle in der Wasserwaage

Wie die Libelle in der Wasserwaage

Titel: Wie die Libelle in der Wasserwaage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almut Irmscher
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in Amerika ja letztlich auch gezeigt. Am Ende profitiert nur die Mafia.
    Wenn man Drogen verbietet, rutschen sie in die Kriminalität ab, so sei das nun mal. Was die Menschen haben wollen, das besorgen sie sich auch. Es sei die Schuld des Staates, er treibe die Menschen quasi in die Gesetzlosigkeit, eine Schande sei das.
    Joe hatte das Ganze in Berlin kennengelernt. Einer seiner Dozenten hatte in seinem Keller ein richtiges Labor aufgebaut, in dem er aus Ephedrin N-Methamphetamin braute. Der Vorgang war ganz schön kompliziert, man musste höllisch aufpassen, dass man den Stoff nicht verunreinigte, denn das hat unabsehbare Folgen für die Konsumenten. Und denen will man ja Gutes, vor allem will man sie sich als Kunden erhalten.
    Joe ging bei seinem Dozenten in die Lehre, er studierte akribisch die Herstellung von niedlichen, kleinen Hydrochloridkristallen. Das schwierigste an der ganzen Sache war die Beschaffung von Ephedrin. Der Stoff wird in Arzneimitteln verwendet, wo man sich seine aufputschende Wirkung zum Beispiel als Wachmacher für Fernfahrer zunutze machte. Auch wirkt er appetithemmend und wurde lange als Diätmittel eingesetzt. Allerdings geriet er mit den Jahren allmählich in Verruf, insbesondere wegen seiner potentiellen Metamorphose in das verbotene N-Methamphetamin. Folglich fand er in immer weniger frei erhältlichen Medikamenten Verwendung, bis er seine letzte Nische im Erkältungsmittel Wick-MediNait fand, leider in so minimaler Dosierung, dass man damit gar nicht arbeiten konnte.
    Aber auch hier lassen sich Mittel und Wege finden. Denn in Osteuropa sind noch viele Medikamente mit dem Wirkstoff Ephedrin frei erhältlich. Joes Dozent hatte da seine Kontakte, auf die nun auch Joe zurückgreifen konnte. Gerade erst im Januar dieses Jahres waren nach anderen ehemaligen Ostblockländern nun auch Rumänien und Bulgarien der EU beigetreten. Zwar gab es noch Grenzkontrollen, doch wurden diese durch das Zusammenwachsen der Länder immer lockerer. Zunehmend reisten alle möglichen Dinge frei und unbekümmert quer durch Europa. Feine Sache!
    Joe hatte sich eines der beiden Zimmer seiner Kölner Wohnung zu einer Drogenküche umgerüstet, dank seines freundlichen Dozenten hatte er das Know-how und danke des Know-hows das nötige Kapital für die Betriebsausstattung. Denn in Berlin waren die Geschäfte bestens gelaufen.
    Nun galt es, den Kölner Markt zu erobern. Allein kam er da nicht weit, er musste ja neben seinem Studium auch noch genügend Sauerstoff aus Ephedrin abspalten, eine ganz schön knifflige und zeitaufwendige Sache. Also musste er sich ein Außendienstteam für den Vertrieb aufbauen. Schon hatte ich einen Zweitjob!
    *
    Das war ja gut und schön, aber wie macht man das? Ich meine, ich konnte ja schlecht irgendwen in der Bar anquatschen, nach dem Motto, hey, brauchste was an Stoff ?
    Deshalb begann ich, die Gäste noch genauer als vorher zu beobachten. Wer war ein potentieller Interessent? Die junge Frau mit dem engen Designerkleid und der auffälligen, bunten Brille? Sie musste bestimmt ständig auf ihre Figur achten. Hatte Joe nicht auch etwas von Appetitzüglern gesagt? Ich war mir nicht sicher.
    Oder der schlaksige Junge, der in seinem italienischen Anzug wie verkleidet wirkte? Der machte bestimmt eine Banklehre. So was ist doch enorm stressig, helfen da Aufputschmittel? Vermutlich brauchte er Baldrian nötiger.
    Das elegante Pärchen, das sich offensichtlich nach dem Essen noch bei einem angesagten Cocktail amüsierte? Methamphetamin steigert das sexuelle Verlangen, senkt aber leider im Gegenzug die diesbezügliche Leistungsfähigkeit. Dann will Mann gerne und kann nicht? Nein, das wollte ich den beiden nicht zumuten.
    Am großen Ecktisch saßen ein paar junge Leute in fröhlicher Runde und schnatterten durcheinander. Ihrem Äußeren nach waren sie ganz bestimmt Studenten. Ich hatte mal wieder eine geniale Eingebung: Erst mal würde ich Kontakt knüpfen. Ein paar mehr Worte als nötig, ein bisschen lockeres Geplänkel, und vielleicht würde ich mich, wenn es gut lief und ein bisschen Zeit wäre, einfach mal zu ihnen setzen.
    Es waren fünf Jungs und drei Mädels, alle studierten Jura in verschiedenen Semestern. Mein Plan entwickelte sich besser als gedacht, denn irgendwann, als ich zu fortgeschrittener Stunde bei ihnen saß, begannen sie über die Anforderungen ihres Studiums zu klagen. Und dass es manchmal ganz schön schwer falle, sich immer zu konzentrieren, besonders in den überfüllten,

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