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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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das Negativ, für Angelas Tagebuch, das ich zwischen den Lehrbüchern in meinem ausrangierten Schultornister versteckt hatte, und für das angebrannte Kussfoto, das noch immer zwischen den Seiten des Marx'schen Kapitals steckte. Ich nahm das Bild heraus und betrachtete Angela mit ihrem Pferdeschwanz. Eine Ähnlichkeit mit Heinrich Hofmanns Assistentin Irina Lupescu war fraglos vorhanden, obschon Irina im landläufigen Sinn gewiss die hübschere war. Doch hinter dem Bildnis der jungen Angela Maria Barbulescu schien eine Schönheit auf, die erst im Augenblick ihres Erkennens erblühte. Jenseits allen Begehrens. Als ich die Kostbarkeit des Bildes der Lehrerin für mich entdeckte, wusste ich um den Ort, es sicher aufzubewahren. Wenn das silberne Schlüsselchen von Pater Johannes, das ich im Pfarrhaus an dem Brett neben der Garderobe entwendet hatte, zu dem Schloss passen würde, zu dem es nach meiner Vermutung gehörte, so war dieser Ort der geheimste und sicherste Tresor für das Foto und das entlarvende Negativ.
    Als Baia Luna schlief, schlich ich in die Kirche. Blind tastete ich mich vor bis zum Altarraum und der Wand unterhalb des erloschenen Ewigen Lichts. Im Schein der Zündhölzer sah ich die silberne Metallplatte mit den Symbolen von Brot und Wein. Sie verschloss den eingemauerten Tabernakel. Hier bewahrte Johannes Baptiste einst die Hostien auf. Der Schlüssel passte. Im Inneren befand sich ein leerer Messkelch, der mit einem weißen Tuch abgedeckt war. Ich legte das Negativ und die Bilder von Angela in den Kelch, bedeckte ihn mit dem grünen Tagebuch und schloss ab.
    Der Geländewagen tauchte in Baia Luna auf, als außer mir und Karl Koch wohl niemand mehr an Lupu Raducanu dachte. Der Verlobte Irina Lupescus kam mit dem Volkspolizisten Cartarescu und drei schwer bewaffneten Milizionären. Cartarescu trug eine neue Uniform mit Streifen und goldenen Sternchen auf den Schulterklappen. Auf dem Dorfplatz stiegen sie aus und gingen direkt auf unsere HO-Filiale zu. Durch die Glasscheibe sah ich, dass Cartarescu die Männer mit den Kalaschnikows anwies, auf der Treppe zu warten.
    Großvater hatte die Frage »Was wollen die?« noch nicht gestellt, da kannte ich bereits die Antwort. Die Männer waren wegen mir gekommen. In dem Moment, als Lupu Raducanu draußen seine Zigarette austrat, war mir klar, der Major der Sekurität folgte jenen Spuren, die ich in der Nacht in Heinrich Hofmanns Atelier hinterlassen hatte. Ich hätte meine Zigaretten nicht in dem Keller liegen lassen dürfen.
    Raducanu und Cartarescu traten ein und grüßten.
    »Jetzt im Sommer ist man richtig froh, mal aus der Stadt rauszukommen«, meinte der Sekurist. »Ist herrlich bei euch hier oben. Die gute Luft weiß man zu schätzen«, er schaute mich an, »vor allem, wenn man im Hotel keinen Schlaf findet und unter Asthma leidet.«
    »Was wollt ihr?«, fragte Großvater, während Kathalina in der Küche verschwand.
    »Routinesache«, sagte der zum Capitan beförderte Cartarescu. »Allgemeine Personenkontrolle. Ihre Ausweispapiere.«
    Großvater zog seinen neuen Pass aus der Brieftasche. »Du auch! «, herrschte Cartarescu mich an.
    »Muss ich erst aus meinem Zimmer holen.«
    »Dann mach!«
    Ich rannte in mein Zimmer, setzte mich auf mein Bett und atmete tief durch. »Alles wird gut. Alles wird gut«, murmelte ich, als ich, wie schon einmal zuvor, die Stimme von Bubas Onkel Dimitru vernahm: »Du musst die Welt auf den Kopf stellen.«
    Ich legte meinen Pass neben Großvaters Papier auf den Tresen. Raducanu griff zuerst nach Iljas Ausweis, betrachtete ihn mit teilnahmsloser Miene und meinte nur: »Ja, ja. Die gute alte Streifenkrawatte. Bleibt immer in Mode.«
    Dann nahm er sich meinen Pass vor. Abwechselnd schaute er in den Ausweis und dann wieder in mein Gesicht. Ich blieb ruhig.
    »Ist etwas nicht in Ordnung?«
    »Alles in Ordnung«, antwortete Raducanu. »Neues Lichtbild, nicht? Warum guckst du so ernst? Foto Hofmann, nicht wahr?«
    Ich schaute Raducanu direkt in die Augen.
    »Genau. Ihr seid aber bestens informiert. Alle Achtung. Wir haben die Bilder erst kürzlich dort machen lassen. Mein erster richtiger Ausweis. Das erste Mal, dass ich geknipst wurde. Foto Hofmann, feiner Laden, sag ich Ihnen. Die verstehen was vom Fotografieren. Das sieht selbst ein Blinder.«
    Ich bemerkte, dass Raducanus Augen zuckten und sein Verstand mit hoher Drehzahl arbeitete.
    »Habt ihr einen Aschenbecher? «, fragte er plötzlich, obwohl links von ihm einer auf dem Tresen

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