Wie die Madonna auf den Mond kam
wahre Fundgrube. »Hier ist der neue Kontrakt mit der volkseigenen Handelsgenossenschaft. Jetzt ist die Versorgungslage bestens. Aber die letzten Jahre, var dem Sozialismus, wie sollte ich den Leuten einen anständigen Zuika auf den Tisch stellen? Ihr wisst doch selbst, dass in den Bergen der Nachschub schlecht ist. Im Winter läuft nichts. Da macht man halt hier und da eine Kungelei. Bei den Geschäften mit den Schwarzbrennern fiel natürlich auch für mich was ab. Das Geld habe ich über die Jahre beiseitegelegt. Für den Fernseher. Wenn ich eine Liste schreiben soll, wer alles in seiner Scheune einen Brennofen stehen hat, dann könnt ihr jeden Mann verhaften. Und wenn ihr den Fernseher unbedingt beschlagnahmen müsst, was sollen wir hier dann machen? Man kriegt hier oben doch nichts mit von der Welt. Ihr könnt gern rumfragen. Als die Sputnik-Rede vom Chruschtschow übertragen wurde, wegen der Überwindung der Schwerkraft und dem Sieg des Sozialismus, da war hier die Bude gerammelt voll.«
Cartarescu listete auf. »Ungesetzliche Herstellung von Alkohol. Hinterziehung von Steuergeldern. Illegale Verkaufsgeschäfte. Das Fernsehgerät wird eingezogen! «
»Lass den Leuten ihren Apparat!« Missmutig bellte Lupu den neuen Capitan an. »Glaubst du, ich komme hier hoch wegen ein paar Schnaps panschern und um einen Fernseher zu beschlagnahmen? Leck mich am Arsch mit deinem Kleinkram. Wo ist übrigens dieser Sachse, dieser Karl Koch?«
Grußlos stapfte Raducanu aus dem Laden. Draußen folgten ihm die drei Milizionäre mit den Maschinengewehren.
Nach der Ankunft des Geländewagens hatten die Bauern auf den Feldern ihre Hacken beiseitegelegt und waren ins Dorf geeilt. Unter ihnen Karl Koch. In der Hand hielt er eine Liste mit den Namen aller erwachsenen Männer aus Baia Luna. Der Sekurist ging langsam auf ihn zu.
»Hier hast du deine verfluchte Liste, du ... «
»Milchgesicht! Milchgesicht, das wollten Sie doch sagen, Herr Koch.«
Hermann Schuster stieß seinem Sachsenfreund den Ellenbogen in die Rippen und zischte: »Halt bloß den Mund.«
Karl Koch schwieg. Lupu Raducanu nahm die Liste und lachte. Dann zerriss er sie vor aller Augen und warf die Fetzen über seine Schulter.
»Du Kotzbrocken!« Karl Koch stürmte los, wurde aber im letzten Moment von Schuster und Istvan Kallay zurückgehalten.
»Sie sind ein echter Kämpfer«, grinste Raducanu. »Schon damals. In Russland, nicht wahr? Freiwillig haben Sie sich gemeldet für den großen Feldzug gegen die Bolschewiken. Waren Sie da auch so mutig wie heute, damals bei den Frauen und Kindern in den Dörfern am Don, Sie Hitlerist?«
Karl Koch spie Raducanu ins Gesicht.
Der Sekurist nahm sein Taschentuch, nickte kurz zu den Milizionären und sagte nur »Mitnehmen«.
Hermann Schuster preschte vor. »Ihr könnt nicht willkürlich Leute verhaften. Selbst in diesem Staat braucht man immer noch einen Haftbefehl.«
»Zeig dem Mann, dass alles seine Ordnung hat«, wandte sich der Sekurist an Cartarescu. Als der Chef der Kronauburger Volkspolizei einen richterlichen Erlass hervorzog, wussten die Männer aus Baia Luna, über das Schicksal Karl Kochs war längst entschieden worden. Cartarescu wurde förmlich. »Herr Koch, Ihnen wird vorgeworfen: Widerstand gegen die Staatsorgane, antisozialistische Propaganda und Störung der sozialen Ordnung. Wir haben Sie in Untersuchungshaft zu nehmen.«
Koch riss sich aus der Umklammerung von Hermann Schuster und Istvan Kallay. Bevor er Raducanu an den Hals springen konnte, drückten ihm die Milizionäre ihre Waffen auf die Brust.
»Ihr könnt mich auf der Stelle erschießen, aber nach Pitesti kriegt ihr mich nicht!«
»Aber wer redet denn davon, Herr Koch?« Raducanu baute sich vor ihm auf. »Warten Sie doch erst einmal Ihr Gerichtsverfahren ab. Vielleicht sind Sie ja unschuldig und schneller wieder bei Ihrer Familie, als Sie denken.«
Als die Vertreter der Staats macht mit Karl Koch davonfuhren, klagte Großvater im Laden über Schweißausbrüche und Übelkeit. Kathalina bereitete sofort kalte Umschläge. Dann sah sie ihren Schwiegervater am Boden liegen. Großvater war zur Seite weggekippt und von seinem Stuhl gefallen. Als er nach einer Weile die Augen wieder aufschlug, musste ich ihm alles erzählen, was in der vergangenen Stunde in Baia Luna geschehen war. In seiner Erinnerung klaffte eine Lücke.
An einem Samstag im Hochsommer brachen die Zigeuner um die Mittagszeit auf zum großen Pferdemarkt nach Bistrita; just als ich den
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