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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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elektrisiert auf die Zielrohre.
    »Lass uns mal in den Laden gehen.«
    Ich hatte einen betagten Herrn mit schlohweißem Haar erwartet, stattdessen fragte ein junger Bursche, der nur wenig älter war als ich selbst, nach unseren Wünschen. Während sich Petre die Zielfernrohre aus dem Schaufenster zeigen ließ und enttäuscht feststellen musste, dass die gebrauchten Geräte seine finanziellen Möglichkeiten bei Weitem überstiegen, schaute ich mich um.
    Ich entdeckte, was ich in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet hatte. Zwischen übereinandergestapelten Röhrenradios, einem Grammofon und gebrauchten Schreibmaschinen stand ein fotografisches Vergrößerungsgerät.
    »Was soll das kosten?«
    »Da muss ich meinen Onkel fragen«, sagte der Verkäufer. »Er ist krank. Aber ich weiß, dass er das Teil nicht einzeln verkauft. Nur komplett. Ein ganzes Fotolabor. Die ganze Ausrüstung stammt von einem pensionierten Richter, der jede freie Stunde im Gebüsch gehockt hat, um scheue Tiere zu fotografieren. Er ist im Frühjahr gestorben.«
    »Wann kannst du deinen Onkel nach dem Preis fragen? « »Jetzt gleich. Er wohnt direkt hier drüber und liegt im Bett. Er ist, wie soll ich sagen, krank im Gemüt. Ihr müsst wissen, das Haus hier gehört uns nicht. Der Besitzer hat es an ein hohes Tier in der Partei verkauft. Und seit Onkel Gheorghe weiß, dass er hier raus muss und als Privater auch keine anderen Räumlichkeiten mehr finden wird, grämt er sich.« Der junge Mann verschwand und kam nach wenigen Minuten wieder. »Gheorghe schläft. Ich will ihn nicht wecken. Aber ich schätze mal, das ganze Zeug, mit Fotoapparat, dürfte so an die dreitausend kosten.«
    Ich schluckte. Die Summe entsprach einem halben Jahressalär meines Großvaters.
    »Aber Onkel Gheorghe ist kein Halsabschneider. Wenn er Leute mag, verkauft er manchmal sogar Sachen für weniger Geld, als er selber dafür bezahlt hat. Aber unter zweitausend ist sicher nichts zu machen. Fragt noch mal nach, wenn er wach ist.«
    Ich machte mir keine Illusionen, das Geld jemals auftreiben zu können.
    Gegen sechs Uhr betrat ich mit Petre eine Schänke, deren Fassade genauso wenig versprach, wie die Einrichtung hielt. Das Lokal war abgewirtschaftet, der Wirt ein schmieriger Bulle mit schorfiger Kopfhaut und lichtem Haarkranz. Weil der Durst und die Müdigkeit größer waren als unser Wille, ein anderes Lokal zu suchen, setzten wir uns an einen Tisch am Fenster.
    »Gibt es Bier? «, fragte Petre. »Aber sicher, die Herren.«
    Der Wirt plöppte zwei Flaschen auf, wischte die Hälse mit seiner Schürze ab und stellte das Bier auf den Tisch. Dann erblickte ich die beiden Frauen an der Theke. Eine hing schläfrig über dem Tresen, die andere schaute zu uns herüber. Sie war höchstens zwanzig. Wann sie Kontakt aufnehmen würde, war nur eine Frage der Zeit.
    Ich hatte nach dem ersten Schluck die Flasche noch nicht abgesetzt, da stand sie schon vor mir. Sie trug ein billiges Kleid, das sich viel zu eng um ihr Gesäß und ihre Brüste spannte. »Ich heiße Luca. Habt ihr was dagegen, wenn ich mich mit meiner Kollegin zu euch setze? Nur so. Nur zum Reden. Sie ist aus der Hauptstadt und kennt hier kaum Leute.«
    Wir schauten uns an. Weil wir nicht sofort Nein sagten, rief Luca: »Ana, komm doch. Die Jungs sind in Ordnung.«
    Die zweite Frau wäre fast gestürzt, als sie von ihrem Barhocker rutschte. Obschon sie sich Mühe gab, geradeaus zu gehen, torkelte sie immer wieder nach rechts und links und stützte sich mit den Händen an den Stühlen ab.
    »Wir wollen eigentlich nur in Ruhe ... «
    Ich schnitt Petre das Wort ab. »Setzt euch ruhig.« Mich traf ein Schlag in die Magengrube. Die Frau, die sich kaum auf den Beinen halten konnte, hieß nicht Ana. Sie sah aus wie ein Mensch, der alles im Leben hinter sich, aber nichts mehr vor sich hat. Ihr rechtes Auge war blauviolett unterlaufen, und als sie sich ein gequältes Lächeln abrang, enthüllten ihre spröden Lippen, dass ihr die oberen Schneidezähne fehlten. Es war nichts mehr übrig von jener Kindfrau, die sich einst von Doktor Stephanescu Schaumwein über die Scham hatte spritzen lassen. Petre rückte zur Seite, und die Betrunkene ließ sich auf einen freien Stuhl sacken, während Luca sich neben mich drängte.
    »Ich nehme auch ein Bier«, sagte sie forsch. »Und für meine Freundin Likör, wenn ihr uns schon einladet.«
    Ich überging die Aufforderung. »Guten Abend, Alexa.« »Sie heißt Ana«, berichtigten mich Luca und Petre

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