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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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hier unten nicht meinen.«
    »Genau«, sagte ich bedeutungsschwer. »Und da dürfte für den Sowjet das Problem liegen.«
    »Welches Problem? «
    »Wenn ich euch gestern richtig verstanden habe, seid ihr überzeugt, dass die Madonna seit ihrer Himmelfahrt auf dem Mond lebt und die Sowjets sie wieder zur Erde holen wollen.«
    »So ist es«, nickte der Zigan. »Und dahinter steckt dieser Raketenforscher Koroljow. Ein ausgefuchster Materialist. Erde zu Erde. Und wenn du schon so genau Bescheid weißt, Pavel. Gelobe, dass du's keinem weitererzählst.«
    »Ehrenwort.«
    »Gut. Unsere Mission besteht darin, die Amerikaner zu warnen. Sie müssen dem Russen auf dem Mond antizipatorisch zuvorkommen und die Madonna schützen, verstehst du?«
    »Ich verstehe. Aber da liegt, wie ich meine, die Schwierigkeit. In der Größe des Mondes. Egal, ob Russe oder Ami, die müssen doch Jahre suchen, bis sie die Gottesmutter finden. Wie eine Nadel im Heuhaufen. Und vielleicht findet man sie nie. Wenn sie sich versteckt.«
    Die beiden schauten sich an. Ihr Blick verriet, dass sie mir folgen konnten.
    »Daraus schließe ich«, gab Großvater zu Bedenken, »man sollte schon einigermaßen genau wissen, wo sich die Gottesmutter befindet, bevor man dem amerikanischen Präsidenten einen Brief schreibt oder sich auf den Weg über den Atlantik macht.«
    »Genauso sehe ich das«, sagte ich.
    »Menschenskind«, stöhnte der Zigeuner, »was man alles im Kopf haben muss. Aber wie sollen wir herauskriegen, wo die Gottesmutter ist? Von hier unten mit bloßem Auge ist da nichts zu machen.«
    »Ich wüsste eine Methode, die Entfernung quasi zu schrumpfen und den Mond näher heranzuholen.«
    Als vier neugierige Augen mich anstierten, ließ ich die Katze aus dem Sack: »Ihr braucht ein Teleskop.«
    Die Empfehlung tat ihre Wirkung. Ich erwähnte, ein solches optisches Gerät stünde in einem Schaufenster eines Kronauburger Antiquitätenhändlers. Dimitru und Ilja waren sofort Feuer und Flamme. Ich erklärte weiterhin, im Besitz eines gemütskranken Herrn namens Gheorghe Gherghel befänden sich zudem auch fotografische Apparaturen, ja, sogar eine Kamera samt Linsen. Zunächst leuchtete den beiden die Verwertbarkeit der Utensilien nicht ein, doch sie gerieten vollends aus dem Häuschen, als ich ihnen erklärte, mit dem Teleskop ließe sich die Madonna zwar ausfindig machen, mit dem Film in einem Fotoapparat jedoch könne man den Beweis sichtbar für jedermann im Bild festhalten.
    Dimitru führte wieder einen seiner Freudentänze auf, als Großvater ihn auf den Boden der Tatsachen zurückholte. »Pavel, wenn du schon in diesem Laden warst, hast du dann auch gefragt, was das ganze Zeug kosten soll?«
    »Es ist ziemlich billig. Gemessen an der Qualität. Fünfzehnhundert. Höchstens zweitausend. Für alles. Komplett.« Großvater fasste sich ans Kinn und wiegte seinen Kopf. »Tut mir leid, aber so viel Geld habe ich nicht. Da müsste ich bestimmt ein ganzes Jahr sparen.«
    Dimitru schimpfte. »Ich Dummsimpel. Warum musste ich nur die ganzen Jahre schweigen? Da konnte ich keine Reliquien verscherbeln. Denn ohne zu reden kann man solche Ware nun wirklich nicht an den Mann bringen. Das müsst ihr verstehen.«
    Dann schnippte Ilja mit den Fingern. »Ich hätte eine Idee, wie man zu viel Geld kommen kann. Nur weiß ich nicht, ob du dann wieder böse auf mich bist und nicht mehr sprichst, Dimitru.«
    »Niemals mehr in meinem Leben werde ich dir für irgendwas böse sein.«
    »Dein Geschenk an mich, wir könnten es verkaufen. Ich meine den Fernseher.«
    »Das würdest du tun? Mein Geschenk an dich. Du würdest wirklich auf den Apparat verzichten, damit wir gemeinsam den Koroljow aufs Kreuz legen?«
    »Das ist mir die Sache wert.«
    Am nächsten Morgen, als die Sonne aufging, saß ich auf dem Kutschbock. Großvater und Dimitru hockten hinten auf dem Fuhrwerk. Ihre Arme ruhten auf einer Kiste, die mit einer Decke verhüllt war.
    Am frühen Vormittag erreichten wir Kronauburg. Ich lenkte den Karren zu einem Platz am Burgberg unweit des Stundenturmes. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass das Gherghel'sche An- und Verkaufsgeschäft noch existierte und das Teleskop noch im Schaufenster stand, schleppte ich den schweren Fernseher in den Laden.
    »Moment mal, die Herren«, rief ein Mann in den Siebzigern mit schlohweißem Haar, »ich kaufe nichts mehr an.« Dimitru zog die Decke von dem Gerät, und Herr Gherghel setzte seine Brille auf. Sein Blick verriet den

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