Wie die Madonna auf den Mond kam
dümmer ist. Er ist so blöd, dass er jeden Fortschrittsfurz >des Projekts< gleich in die Welt hinaustrompetet, anstatt zu warten, bis ihm der entscheidende Schlag gelingt. Noch ist der Russe nicht auf dem Mond. Noch hat er die Madonna nicht. Die Frage nach Gott kam zu früh.«
»Viel zu früh«, sagte Großvater. »Da riecht der Amerikaner doch Lunte. Was glaubst du, wie viele Milliarden die jetzt lockermachen, um zu beweisen, dass es Gott im Himmel doch gibt. Die wollen doch nicht ihre ganzen Dollars verbrennen und sich dann an den nackten Arsch fassen.«
»Absolut exakt«, bestätigte Dimitru. »Chruschtschow hat zu früh geplaudert. Eine Todsünde. Er ist in die Falle der Eitelkeit getappt. Die Superbia gilt bekanntlich kausaliter kausalis als Ursache menschlicher Dummheit schlechthin. Ich wette, Koroljow weiß, dass sein Präsident ein ziemlicher Idiot ist. Aber so ist die Politik, die einen haben das Wissen, die anderen die Macht. Das kommt dabei heraus, wenn nicht Männer von Geist, sondern Proletarier die Welt regieren.«
Großvater kratzte sich am Kopf. »Ich fasse zusammen: Die Gottesmutter Maria ist leiblich in den Himmel aufgefahren. Das beglaubigt das Dogma des Papstes. Und sie ist auf dem Mond. Das verbürgt Gott persönlich mit der Offenbarung, die er dem Apostel Johannes offenbart hat. Die entscheidende Frage ist nun, was macht der Bolschewik, wenn er die Madonna findet?«
»Mein Freund Ilja, das ist in der Tat die Frage der Fragen.
Und mir fällt nur eine Antwort ein, wenn ich mich an das Gesetz der Logik halte.«
»Und?«
»Der Sowjet macht die Himmelfahrt rückgängig. Er retourniert die Madonna wieder zur Erde.«
»Und dann? Sie werden ihr doch wohl nichts antun? Oder sie töten? Oder schreckt der Bolschewik nicht einmal vorm Muttergottesmord zurück?«
»Bestimmt nicht. Koroljow ist kein tumber Marxist, sondern ein schlauer Nietzschist, wenn du verstehst, was ich meine.« Großvater schüttelte den Kopf.
»Ist auch egal. Pass auf. Wenn er die Mutter vom Jesus auf die Erde holt, dann zieht Koroljow den logischen Schluss, dass Gott existiert, auch wenn ihn der Gagarin aus seinem Raketenfenster nicht gesehen hat. Aber wenn Gott existiert, dann kann der Ingenieur Nummer eins sein Projekt, selber ein Gott zu werden, vergessen. Und er wird sich hüten, der Muttergottes auch nur ein Härchen zu krümmen oder sie gar von der Sekurität beiseiteschaffen zu lassen. Dann kann er nämlich das vom Jesus verheißene ewige Leben nach dem Tod in den Wind schreiben. Ein Madonnenmörder braucht doch beim Jüngsten Gericht gar nicht erst am Throne Gottes anzutreten, sondern kann ohne Umweg gleich zur Hölle hinabfahren. «
»Leuchtet mir ein«, sagte Ilja. »Aber was macht Nummer eins mit der Maria hier auf der Erde?«
»Er lässt sie frei. Mit den besten Wünschen. Dann kann sie ruhig am helllichten Tag durch die Straßen rennen und behaupten, sie sei die Gottesmutter. Wenn sie Glück hat, lachen sie die Leute aus, wenn sie Pech hat, landet sie für den Rest ihrer Tage in einer dieser psychiatristischen Klapsmühlen. Und Koroljow kann behaupten, er habe es gut mit ihr gemeint, und wie der römische Pilatus seine Hände in Unschuld waschen.«
Ich gähnte und merkte an, die Sperrstunde sei nun aber deutlich überschritten. Dimitru reichte mir die angebrochene Flasche mit der Bitte, ich möge sie bis zum morgigen Abend aufbewahren, dieweil Großvater zu einem Glas Wasser seine Tabletten gegen die Epilepsie einnahm.
Als ich in meine Schlafkammer ging, hatte sich mir der Unsinn der Unterredung zwischen Dimitru und meinem Großvater zwar nicht erschlossen, aber ich hatte eine Idee. Und je länger ich nachdachte, desto mehr reifte der Plan, wie sich die Hirngespinste der beiden für meine Zwecke nutzen ließen.
Als Dimitru am folgenden Nachmittag voller Tatendrang das Lokal betrat, bugsierte ich ihn und Großvater gleich in die Küche und bat sie, Platz zu nehmen. Dann hängte ich das Schild »Geschlossen« an die Tür, holte Dimitrus Zuika hervor und setzte mich zu den beiden Alten an den Küchentisch. Ich kam gleich zur Sache.
»Wisst ihr eig entlich, wie groß der Mond ist? Schon in der Schule, physikalische Naturlehre, habe ich gelernt, dass sein Durchmesser ungefähr dreitausend vierhundert und achtzig Kilometer beträgt. Das ist ein Viertel des Durchmessers der Erde.«
»Wirklich? « Großvater staunte. »Das ist ziemlich groß.« »Um nicht zu sagen: voluminös«, meinte Dimitru. »Sollte man von
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