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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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Mond. Gott im Himmel, ihr seid mir vielleicht Experten. Maria! Maria! Da muss man erst einmal draufkommen! >Maria< ist die Mehrzahl von >Mare<. Und> Mare< heißt >Meer<. Die ersten Astronomen glaubten nämlich, die dunklen Flecken auf dem Mond seien Meere. Daher die Namen: Mare Australe, das Südmeer. Mare Imbrium, das Regenrneer. Mare Vaporum, das dampfende Meer. Heute weiß man, dass die Mare riesige Steinwüsten sind. Aber die Namen hat man beibehalten. Und alle Mare zusammen heißen nun mal Maria. Die Betonung liegt auf dem ersten a, Maah-ria, nicht Ma-rie-ha. Das ist die Sprache der Wissenschaft, aber woher sollt ihr das wissen.«
    Dimitru räusperte sich pikiert, war aber mit Großvater vollkommen der Meinung, dass hinter der Doppelung der lateinischen Namen sowohl für die Meere als auch für die Muttergottes, alles stecken konnte, nur kein Zufall.
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    Das Mare Serenitatis, zwölf weiße Punkte und ein kleines Theaterstück
    Um mit den optischen Apparaten in Baia Luna kein Aufsehen zu erregen, schleppte ich sie im Schutz der Nacht in unser Warenlager. Ilja und Dimitru brannten vor Ungeduld, ihr Fernrohr zum Einsatz zu bringen. Was war geeigneter, um den Aufenthaltsort Marias auf dem Mond zu erkunden als der Gipfel des Mondberges ? Am liebsten wären sie gleich zu ihrer Expedition aufgebrochen, aber nachmittags zogen regelmäßig Wolken auf, hinter denen sich nachts der Sternenhimmel verbarg. Dennoch verharrten die beiden nicht in Untätigkeit. Um sich mit dem Terrain auf dem Erdtrabanten vertraut zu machen, beugten sie sich über der Karte »Maria et Monti Lunae« den Rücken krumm. Mit Bleistift, Lineal und Zeichenzirkel stellten sie verschiedenste Berechnungen an, um bereits vor dem Blick durch ihr Teleskop potenzielle Aufenthaltsorte Marias auf spekulativem Wege einzugrenzen. Als Dimitru mithilfe eines lateinischen Wörterbuches sämtliche Eintragungen auf der Mondkarte übersetzt hatte, fällte er seine Entscheidung.
    »Maria thront im Mare Serenitatis.« »Wo?«, fragte Großvater.
    »Im Meer der Heiterkeit. Alle anderen Mare können wir exkludieren. «
    »Was macht dich so sicher? Der Mond ist groß«, wandte Ilja ein. »Mare Imbrium, Mare Humorum, Mare Nubium. Die Selige kann bei ihrer Himmelfahrt überall gelandet sein. Das heißt, wir müssen sie überall suchen, außer im Mare Moscoviense. Um das Russenmeer wird sie natürlich einen Bogen machen.«
    »Denke ich auch.« Zugleich schloss der Zigan weitere Orte definitorisch aus. »Glaubst du allen Ernstes, sie feiert im Kreise der zwölf Apostel an einem so unwirtlichen Ort wie dem Oceanus Procellarum, dem Ozean der Stürme? Oder im frostigen Mare Frigoris, wo der Mutter unseres Herrn Jesus vor Kälte die Zähne klappern? Oder, am allerübelsten«, Dimitru hielt sich die Nase zu, »im Dunst des Mare Vaporum oder im Palus Putredinis, dem Sumpf der Fäulnis?«
    »Ihr seid wahnsinnig! «, spottete Kathalina zunächst noch spaßhaft, dann zusehends besorgt um den Geisteszustand der beiden Freunde und schließlich maßlos verärgert. »Ihr seid zu nichts Vernünftigem mehr zu gebrauchen. Seit Johannes Baptiste nicht mehr unter uns ist, habt ihr nur Marotten im Kopf. Maria auf dem Mond! Ich bete, dass bald ein neuer Pfarrer ins Dorf kommt, der euch von euren verrückten Himmelsflügen wieder auf die Erde holt.«
    Auf den Einwand, höchste Autoritäten hinter sich zu wissen, ein päpstliches Dogma und das Wort Gottes in der biblischen Offenbarung daselbst, erwiderte Kathalina, sie zweifele nicht an der Wahrheit von Bibel und Kirche, wohl aber am Wirken des Heiligen Geistes. Statt ihre Mitmenschen zu erleuchten, vernebele er offensichtlich die Gehirne. »Nur Schwachköpfe kommen auf die Idee, so einen wunderbaren Fernseher gegen ein altes Radio und aIl diesen nutzlosen Krempel zu tauschen.«
    Ungeachtet des Ärgers meiner Mutter wurde das Radio für Ilja und Dimitru der Draht zur Welt, das die aktuellsten Nachrichten bis in unsere Schankstube sendete. Allerdings nur solche Meldungen, die den Filter der staatlichen Zensurbehörde durchlaufen hatten oder von der blühenden Fantasie der Propaganda gefärbt waren. Zudem litt die Informationsübermittlung unter Reibungsv erlusten infolge der verschlis senen Technik. Das Radiogerät hatte, wie ich nach einiger Tüftelei herausfand, keinerlei Schwierigkeiten, Sende signale zu empfangen, wohl aber Probleme bei der Wiedergabe des Tons. Dimitru vermutete, die Plus- und Minuspole des Lautsprechermagneten seien beim

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