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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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ihrer Nähe wissen will. Judas ist der Zwölfte, der logischerweise fehlt.«
    »Sic est! So sehe ich das auch. Ich schätze, der Verräter hockt da oben im Mare Moscoviense und verflucht seine dreißig Silberlinge.« Dimitru wollte sich an seinen Bart fassen, bemerkte aber, dass seine Hand ins Leere griff. »Du bist ein kluger Mensch, Ilja. Trotzdem. Wir müssen vernünftig sein. Dieses fotografische Papier erschließt nur dem Sehenden, was er eh schon weiß. Der Blinde jedoch bleibt blind.«
    »Gut möglich«, gab Großvater zu. »Und was sollen wir jetzt mit den Bildern machen?«
    »Vergesst die Fotos«, platzte ich in die Ratlosigkeit. »Ich habe im Radio einen neuen Sender entdeckt. Der Geheimtipp schlechthin, Kurzwelle, Frequenz 3564 Kilohertz, Radio Freies Europa. Aus München. Ihr braucht die Welt nicht mehr zu retten, denn die Amis bauen ein monströses Raumflugzentrum in Huntsville in Alabama. Und sie haben einen Mann zum Direktor aller Ingenieure ernannt, der besser sein soll als euer Erzfeind Koroljow. Und wisst ihr, wer der neue amerikanische Raketendirektor ist?«
    »Wörner von Braun«, sagte Dimitru. »Ein Deutscher.« »Mensch, du bist ja echt auf dem Laufenden. Wernher von Braun heißt der Mann. Weißt du noch mehr über ihn?« »Wie könnte ich? Der Sprecher von Radio London quasselt immer so schnell.«
    »Ich sag ja, Radio Freies Europa ist besser. Jedenfalls versteht dieser von Braun was von Raketen. Er war schon unter dem deutschen Führer der Reichsingenieur Nummer eins. Heute ist er amerikanischer Staatsbürger. Wie jeder gute Amerikaner glaubt er an Gott. Das bestätigt auch seine Frau, sie heißt übrigens Maria.«
    Großvater und Dimitru wurden unruhig. Ich zog ein Papier hervor. »Hier, ich hab's aufgeschrieben. Damit ich nicht vergesse, was von Braun im Radio gesagt hat.«
    »Über allem steht die Ehre Gottes, der das große Universum schuf, das der Mensch und seine Wissenschaft in tiefer Ehrfurcht von Tag zu Tag weiter zu durchdringen und zu erforschen sucht.«
    »Das hat der Deutsche wirk lich gesagt? «, fragte Dimitru.
    »Hundertprozentig. Obwohl er für die Hitleristen damals ziemlich bösartige Raketen gebaut hat. Er scheint geläutert. Vielleicht hat er was wiedergutzumachen?«
    Dimitru wiegte den Kopf hin und her. »Geläutert, meinst du?
    Könnte possibel sein. Aber der Deutsche ist schlau und vergisst nie. Wörner von Braun hat mit den Bolschewiken noch eine Rechnung offen, nachdem er die Geschichte mit dem Tausendjährigen Reich quittieren musste. Der Wörner vergisst nicht, dass er befreit wurde und seine schönen Raketen verschrotten musste. Ich wette, der Wörner von Braun will um jeden Preis verhindern, dass der Sowjet seine Hammer- und Sichelfahne auf dem Mond hisst, nachdem ihn schon mächtig gewurmt hat, dass die rote Russenfahne über dem Reichstag flatterte.«
    »Und deshalb weiß der Amerikaner«, so Großvaters Kommentar, »er wird rund um den Globus keinen besseren Raketenbauer finden als diesen von braunen Deutschen.«
    »Stimmt. Im Radio sagten sie auch, Kennedy habe von Braun ein paar Milliarden Dollars in die Hand gedrückt, um eine gigantische Saturnrakete zu bauen, die alles in den Schatten stellt, was der Sowjet bislang an Raketen zu zustande gebracht hat.«
    »Ich ziehe eine Conclusio.« Dimitru reichte Großvater die Hand. »Mein Glückwunsch, Ilja. Amerika braucht uns nicht mehr. Unsere Mission ist erfüllt.«
    »Leider, leider«, seufzte Großvater. »Ich wäre gern mal nach Nuijorke gefahren.«
    »Kommt vielleicht alles noch«, tröstete ich ihn. »Aber fürs Erste dürft ihr sicher sein, dass ihr auf der richtigen Seite steht. Amerika wird siegen.«
    In der Küche hörte ich, dass Gäste die Schankstube betraten. »Wieso ist geschlossen? Wo bleibt die Bedienung?« Die Stimme Liviu Brancusis erinnerte mich daran, dass Samstag war. Die drei Brancusis, die in dem neuen Agrokomplex von Apoldasch Anstellungen in der Schweinemästerei gefunden hatten, waren in bester Stimmung und wollten das Wochenende genießen. Das hieß, sie wollten trinken. Die Transmontanische Arbeiterpartei, so protzte der Wortführer der Brancusis, habe in diesen Tagen den einmillionsten Mitgliedsausweis ausgestellt.
    Als ich die Schnapsflasche auf den Tisch stellte, sang Liviu: »Den Sozia-li-hiss-mus in seinem Lauf hält weder Pa-ha-hapst noch Kirche auf.« Dann startete er wieder eine seiner Anwerbemaßnahmen. Er wies mich darauf hin, als Genossenschaftler der Handelsorganisation

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