Wie die Madonna auf den Mond kam
ich hab noch ein paar schicke Teile im Koffer.«
»Wie lange brauchst du für den Weg zu deinem Onkel, zum Zurechtmachen und dann zurück? «, fragte Fritz.
»Mit dem Omnibus bestimmt zwei, drei Stunden.«
»Heute ist Revolution«, sagte ich. »Außerdem ist Weihnachten. Da fährt bestimmt kein Bus.«
Fritz griff in seine Fototasche und zog ein Bündel grüner Geldscheine hervor. »Vor dem Hotel stehen Taxen.« Er reichte Buba eine Fünfzig-Dollarnote. »Das dürfte reichen. Aber warte - was ist, wenn dich die Sicherheitsleute kontrollieren und einen Presseausweis sehen wollen?«
»Zweifelst du an meinen Fähigkeiten?«, gab Buba pikiert zurück. »Du darfst drauf wetten, dass ich gelernt habe, wie man mit Männern sprechen muss, damit sie alles für einen tun. Also bis um neun. Wir treffen uns am Atheneäum, an dem Denkmal von ... wie hieß dieser Dichter?«
»Mihail Eminescu!«
14
Ein raffinierter Plan, die Dummheit der Schlauen und der Sturz des wahren Conducators
Buba kam um zehn, abgehetzt und schimpfend. »Das Taxi hat mich versetzt. Für keine Dollars dieser Welt wollte mich der Fahrer nach Titan II bringen. Er versprach, außerhalb des Viertels auf mich zu warten. Als ich mich umgezogen hatte, war er weg. Ich bin auch zu blöd. Ich hätte ihm das Geld nicht vorher geben dürfen. In Italien wäre mir das nie passiert. Zu Fuß bin ich gelaufen. Und das mit diesen Schuhen! Ist er schon im Hotel?«
»Mensch, bin ich froh, dass dir nichts passiert ist.« Mir fiel ein Stein vom Herzen. Auch Fritz war erleichtert. »Nein, alle sind noch im Königspalais. Ich schätze, in dem Festsaal drängen sich ein paar Tausend Leute. In der Stadt war eben richtig was los. Alle wollen Stephanescu hören. Den Oberrevolutionär. Unser Zeitplan verschiebt sich nach hinten. Vor Mitternacht wird die neue Regierungsclique nicht im Hotel auftauchen. Bleibt unserem Doktor nur zu wünschen, dass er eine umjubelte Rede zustande bringt. Das steigert seine Lust, den Triumph an der Bar zu begießen.«
»Und wenn er nicht mehr so viel trinkt wie früher? Wie auf den Partys in der Zeit mit Angela?« Buba wirkte nervös. »Wenn er nüchtern bleibt und einen kühlen Kopf behalten will, was machen wir dann? Was mache ich dann?«
»Er trinkt noch«, beruhigte sie Fritz. »Leute wie er können sich anders nicht ertragen.«
»Lasst uns zu seinem Hotel gehen und drinnen warten.« Ich schlotterte vor Kälte. Ich trug lediglich ein anthrazitfarbenes Jackett, ein weißes Oberhemd und saubere Bluejeans. Meine rasierten Wangen verströmten, wie Buba bemerkte, den Duft frischen Zedernholzes und italienischer Zitronen eiscreme. »Du riechst angenehm, Pavel. Und du siehst gut aus.«
Ein Portier in Paillettenjoppe, flankiert von zwei Nationalgardisten in Tarnuniform, riss die Tür des Athenee Palace auf. Die fast menschenleere Empfangshalle war geschwängert von einer Stimmung jenseits der Zeit. Die erdrückende Last der Historie war ebenso präsent wie die aufregenden Wirrnisse der Gegenwart und die Ungewissheit der Zukunft, die sich vermengte mit dem süßklebrigen Geschmack der weihnachtlichen Botschaft von der Geburt des Christkinds. Von der Decke flirrten silberne Lamettagirlanden. In einem Tannenbaum, dessen Spitze man gekappt hatte, um ihn unter der Treppe neben dem Aufzug zu platzieren, flackerten bunte Glühlämpchen. In den Ecken dösten halbwüchsige Soldaten, die Arme um ihre Sturmgewehre geklammert. Sie blickten auf, schätzten uns drei ab, dann senkten sich ihre Augenlider, und sie nickten wieder ein.
Buba ließ sich in einen der schweren Ledersessel gegenüber der Rezeption fallen. Ich wagte kaum, sie anzuschauen. Ich hatte eine andere Buba erwartet, und, wie ich mir selber eingestand, ich hatte eine andere Buba befürchtet. Eine Frau, die gierige Blicke auf sich zog. Aufdringlich, aufreizend, anrüchig. Doch Buba wirkte auf den flüchtigen Blick eher unscheinbar, ja, sie schien in dem schwarzen Sessel zu versinken, zu verschwinden gar. Sie legte ihren dunklen Capemantel über die Armlehne, und ich sah, dass sie auch darunter gänzlich in Schwarz gekleidet war. Mit ihren feinen Schuhen, den Seidenstrümpfen, dem langen Rock und mit dem Pullover aus fließendem Wolltuch, der einen dezenten Ausschnitt hatte, gab Buba zu meiner Überraschung weit weniger von sich preis, als ich in meinem bangen Argwohn angenommen hatte. Obschon Buba ihren fraulichen Busen keineswegs versteckte, verlieh ihr ein zierliches Kreuz zwischen den Wölbungen
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