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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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nicht, doch wir haben wieder für ein paar Tage zu essen.« Ich hatte Buba geglaubt. Weil sie so wunderbar lachte, weil sie schön war und weil eine Hexe unmöglich so gut riechen konnte.
    Angela Barbulescu hingegen war abergläubisch. Eindeutig. Das Gesicht ihres ehemaligen Liebhabers aus einem Foto zu brennen, schien mir jedoch kein wirksames Zauberritual, sondern eine nutzlose Geste hilflosen Unglücks, die nicht von Barbus geheimer Macht zeugte, sondern von ihrer Ohnmacht. Unstrittig war: Dieser Doktor Stephanescu hatte ihr einst übel mitgespielt. Verschmähte Liebe, wahrscheinlich. Vielleicht hatte sie sich deshalb in den Ruin getrunken. Sie wünschte diesen Mann lieber tot als lebendig. Aber allein war sie zu schwach. Nun sollte ich für sie einen Mann zur Hölle befördern, von dem ich nur wusste, dass er früher Filterlose rauchte, Konjaki trank und heute ein hoher Parteifunktionär war. An die Hölle glaubten sowieso nur Leute wie die dumme Konstantin. Weshalb sollte ich für die Barbu in die Schlacht ziehen? Sollte ihren Feind zu meinem erklären? Sollte in vergangenem Dreck wühlen, mir die Hände schmutzig machen? Gewiss war dieser Stephanescu ein Herzensbrecher, ein Fiesling. Doch einen Doktor, ein großes Tier in Staat und Partei, den vernichtete man nicht kurzerhand. Vor allem nicht, wenn man keinen Plan hatte, wieso und weswegen.
    »Schick diesen Mann zur Hölle« - als ich nach der Schule lustlos mit der Gabel in dem Mittagessen stocherte, hatte sich etwas geändert. Ich hatte mich verändert. Nicht durch die wahnhafte Aufforderung. Aber dieses Bild! Dieses Foto, das ich in der Schule aufgehängt hatte! Etwas stimmte damit nicht. Warum hatte die Barbu es wieder abgehängt und mitgenommen? Als meine Mutter mich ermahnte, »Nun iss endlich, damit du was auf die Rippen kriegst. Du frierst ja erbärmlich«, sah ich Stephanescu lächeln.
    3
    IIjas Geburtstag, der Flug des Sputnik und Pater Johannes' brennende Sorge
    Das trübe Wetter hielt den ganzen Tag an, weshalb kaum eine Frau aus Baia Luna am 6. November 1957 den Weg in unser Ladenlokal fand. Während ich fröstelnd vor dem Ofen hockte, döste Großvater hinter der Verkaufstheke. Gegen drei trat die Witwe Vera Raducanu durch die Tür, eine strohblonde, hagere Mittvierzigerin, der man nachsagte, sie habe das Recht für sich gepachtet, ständig empört und beleidigt zu sein.
    Anstatt Großvater zum Geburtstag zu gratulieren, zeigte Vera auf ihre verschmutzten Schuhe und schimpfte auf den Morast der Dorfstraße. Wie immer begutachtete sie argwöhnisch die Waren und verlangte die edle Luxor in Goldfolie, eine schneeweiße Seife mit Rosenessenz, wohl wissend, dass wir derlei Preziosen nicht im Sortiment führten. Freundlich bot ihr Opa ein Stück Kamillenseife an, woraufhin Vera ihn einen ordinären Krämer schalt, sich auf ihren Absätzen herumdrehte und davonstolzierte.
    Wenig später kam Elena Kiselev mit ihren vierjährigen Zwillingen Drina und Diana, die Großvater mit artigem Knicks alles Gute zu seinem Ehrentag wünschten.
    »Deine Bestellung ist da«, sagte Ilja, während ich einen nagelneuen Koffer aus braunem Kunstleder aus dem Vorratslager holte.
    »Ein Geschenk für meinen Mann.« Elena betrachtete den Koffer mit verschämtem Stolz. »Für seine neue Arbeit, wenn er am Sonntag mit dem Schienenzug nach Stalinstadt fährt.«
    Längst hatte sich in Baia Luna herumgesprochen, dass Alexandru Kiselev in dem neuen staatlichen Traktorenkombinat eine Stelle als Getriebemonteur gefunden hatte. Dass ihr Mann in seiner Lohntüte künftig dreimal so viel Geld nach Hause bringen würde, wie in der heimischen Landwirtschaft heraussprang, tröstete Elena jedoch nicht über ihren Kummer über die bevorstehende Trennung hinweg.
    Während sie den Koffer bezahlte, schielten ihre Töchter erwartungsvoll zu der gläsernen Bonbonniere auf der Ladentheke. Großvater schraubte das Glas auf und drückte den beiden einen echten Kaugummi in Silberpapier in die Faust, womit er nicht nur sein Verständnis für die kleinen Glückseligkeiten der Kindheit bekundete, sondern auch seine Leidenschaft für Amerika. Irgendwann in seinem Leben, so hoffte er, werde ihn ein Schiff über den Atlantik bringen, in die Heimat der Madonna mit dem Strahlenkranz.
    Es wird ein Geburtstag wie jeder andere, so dachte ich an diesem 6. November. Die Männer werden sich warm reden. Harmlose, unverfängliche Themen zuerst. Wahrscheinlich fangen sie mit der Tollwut an. Irgendwann wird der Schäfer

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