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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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schweifen. Mit einem energischen »Man darf wohl« riss sie die Tür des Kleiderschranks auf. »Eins, zwei, drei. Drei Wollpullover«, zählte sie laut.
    »Wir haben hier nichts mehr verloren«, bestimmte der Schmied. »Wir gehen. Sie wird schon wiederauftauchen.« »Ein Rock. Und zwei blaue Kleider!«
    Frau Schuster steckte noch immer ihre Nase in Angela Bar bulescus Kleiderschrank. Ich schaute ihr über die Schulter. Es roch nach Rosen. Ich wusste, was ich suchte, und ahnte, dass ich es nicht finden würde. Ein Bügel war leer. Das Kleid mit den gelben Sonnenblumen fehlte. Ich blickte um mich. Auch das gerahmte Porträt Stephanescus entdeckte ich nicht.
    Als ich durch das Gartentor hinaus auf die Dorfstraße trat, so tuschelte man später, hätte ich dreingeschaut wie der bleiche Gevatter persönlich. Die Schulkinder seien zur Seite gewichen, und die Konstantin habe bei meinem Anblick vor Schreck ihren Rosenkranz zerrissen, woraufhin die Perlen wie Hagelschlag auf die Schaulustigen niederprasselten. Die Zigeunerin Susanna Gabor habe mit einer Hand an den Haaren ihrer Tochter Buba gezerrt und »Komm jetzt , komm jetzt sofort nach Hause! « geschrien, während sie mit dem Zeigefinger auf das Haus der Barbulescu deutete: »Unter diesem Dache wohnt kein Glück.«
    Ich erinnere mich nur, dass ich erschöpft in mein Bett sank, Bubas Worte im Ohr: »Schlafen, Pavel, du musst schlafen.«
    In diesen Tagen schäumte der Topf der Gerüchte in Baia Luna über. Und jeder rührte mit. Außer dem Zigan Dimitru, der die Pfarrbibliothek nicht verließ. Nicht einmal das Essen, das ihm Buba vor die Tür stellte, rührte er an. Das mehr oder weniger verstummte Gerede über die nebulöse Herkunft von Angela Barbulescu wurde wieder aufgefrischt. Kora streute Mutmaßungen über Barbus »nümfotische Triebe«, die sie zurück in die Hauptstadt gelockt hätten, während der Schäfer Scherban felsenfest davon überzeugt war, er habe die Barbu nächtens zuvor oben im Fogaraschen mit den Wölfen heulen hören. Höchstwahrscheinlich splitternackt. Das deutete vage Erika Schuster an. Immerhin sei es auffällig, dass im Kleiderschrank der Barbulescu kein einziges Stück fehle.
    Die Annahme, diabolische Mächte könnten bei dem Verschwinden der Lehrerin ihre Hände im Spiel haben, nährte auch der Kirchendiener Julius Knaup. Entgeistert erzählte er jedem, in der Pfarrkirche habe ein wütender Kampf stattgefunden. Zuerst habe er den heruntergerissenen Vorhang am Eingang entdeckt und dann sofort gesehen, dass jemand am heiligen Altar das Lesepult umgestoßen habe. Und dann dieses Blut. Überall Blut. Auf den Stufen zum Altar klebe es, am Ambo, im Mittelschiff. Einige Männer waren sofort mit Julius Knaup losgeeilt, um die Blutspur zu verfolgen. Sie verflüchtigte sich an der Vieh tränke, wo nur die Abdrücke von Hufen zu finden waren, was Kora Konstantins Schwager Marku als untrügliches Indiz zu deuten wusste, der Bocksbeinige selber sei aus den Schlünden der Hölle emporgestiegen, um die Kirche zu schänden. Auf dem Weg retour habe er die Barbu gleich mitgenommen ins Reich der Finsternis. Dass das Ewige Licht in der Kirche nicht mehr brannte, erwähnten Marku Konstantin und der Küster Julius Knaup nicht.
    Licht in das Dunkel der Gerüchte hätte Pfarrer Johannes Baptiste bringen können. Doch der hatte sich in sein Pfarrhaus zurückgezogen, arbeitete an seiner Predigt für den kommenden Sonntag und ließ jeden, der an der Tür schellte, von seiner resoluten Haushälterin Fernanda nach Hause schicken. Die Nachricht, der Pfarrer habe mit den Brancusis ausdrücklich sogar die Kommunisten für diesen Sonntag in die Kirche beordert, hatte sich längst verbreitet und ließ auf ein Donnerwetter schließen. Doch manche im Dorf zweifelten am Gewicht seiner Worte, denn die Vergreisung von Johannes Baptiste nahm mit jedem Tag zu. Er wurde grauer, müder und verwirrter. Und kommenden Sonntag? Würde er noch einmal ein kämpferisches Wort von der Kanzel herabschmettern ? Würde er sich in der Sputnik-Sache gegen die Bolschewiken stellen? Wie würde er zu den Plänen der Genossen stehen, zur Kollektivierung der Landwirtschaft, zum Kolchos? Wenn die Enteigner kamen, forderte er dann den unbedingten Gehorsam gegenüber dem Staat? »Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist«, war eines seiner bevorzugten Worte. Auf der anderen Seite war Pater Johannes immer ein Freund der Bauern gewesen. Doch stünde er auch jetzt auf ihrer Seite? Würde er aufrufen zum

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