Wie die Madonna auf den Mond kam
diesen Fernseher zu Dimitru gebracht. Mit dem Fuhrwerk aus Kronauburg. Ich hab den Mann unterwegs aufgelesen, auf dem Weg hierher, hinter Apoldasch. Er tat mir leid. Bei dem Mistwetter zu Fuß unterwegs. Da habe ich ihn mitgenommen. Hätte ich besser gelassen. Der quatschte mir unterwegs Löcher in den Bauch. Wen ich alles in Baia Luna kenne. Ob mir die Lehrerin bekannt ist. Ja, woher denn? Dann stiefelt der Kerl mir nichts, dir nichts hinter mir her. Hier rein in diese Stube und fragt den Dimitru gestelzt wie ein Gockel nach dem Haus der Lehrperson Fräulein Angela Barbulescu. Mein Vetter sagt nur: >Schräg gegenüber.< Zack, ist der Kerl weg. Kein Wort des Dankes hatte der übrig. Wenigstens den schweren Fernseher hätte er mit abladen können.«
»Wie sah der Mann aus?«
»Groß, sage ich dir, zwei Meter. Ein Schrank. Langer brauner Mantel. Hut. Schnauzbart. So wie ich. Nur heller. Mitte, Ende dreißig, schätze ich mal, sofern man bei euch Gadsche das Alter überhaupt schätzen kann. Ein undurchsichtiges Subjekt, glaub mir. Auf der Wange eine Warze. Rechts. Nein, warte, links. Von mir aus gesehen links, ein dickes Ding, sag ich dir. Sah komisch aus. Ich hab mich noch gefragt, warum macht der sich das Ding nicht einfach weg. Ein kurzer Schnitt. Weg ist's. Jedenfalls hat der Kerl sich nicht bedankt. Der mochte keine Zigeuner. So was riecht ein Schwarzer wie ich.«
Ich stand auf.
»Wo willst du hin? «, fragte Buba.
»Zu Barbus Haus.«
»Ich komme mit.«
Vor der Kate der Lehrerin hatten sich bereits einige Frauen und Männer aus Baia Luna versammelt. Hermann Schuster junior hatte seine Eltern über das Fernbleiben der Lehrerin informiert. Sein Vater hatte seine Frau Erika gebeten, bei der Barbu nach dem Rechten zu sehen, weil er selber seit dem Schlag mit der Weinflasche unter Kopfschmerz litt. Nun standen Erika und ihr Sohn Hermann ebenso ratlos vor Barbus Haus wie Julia Simenov und ihr Vater Emil, der Küster Julius Knaup sowie ein gutes Dutzend Schulkinder. Die Witwe Kora Konstantin hielt sich ein wenig abseits, die ersten Ave Marias des freudenreichen Rosenkranzes murmelnd.
»Worauf warten wir?«, drängte Simenov. Der Hufschmied hatte einen Schlaghammer geschultert und stieß mit den Stiefeln Barbus Gartentor auf. »Zur Not müssen wir die Haustür einschlagen«, brummelte er, als ich mich an ihm vorbeizwängte. Ich drückte die Türklinke. Es war nicht abgeschlossen. Der Schlüssel steckte innen im Schloss.
»Weg da. Mach dich vom Acker, Bursche«, grantelte der Schmied.
»Sie ist meine Lehrerin und nicht deine«, gab ich zurück und betrat den Flur. »Fräulein Barbulescu? «, rief ich, »Fräulein Barbulescu? «
»Hallo! Ist da jemand? So melden Sie sich«, fiel nun auch Erika Schuster ein. Niemand gab Antwort. »Wir müssen nachschauen«, sagte Frau Schuster. Forsch machte sie die Tür zur Wohnstube auf.
Die Barbu war nicht da. Das Zimmer sah genauso aus, wie ich es von meinem einzigen Besuch in Erinnerung hatte. Reinlich und aufgeräumt. Neben dem Ofen lag aufgeschichtet ein Stapel Feuerholz. Hermanns Mutter fasste den Kamin an.
»Lauwarm. Sie hat nicht geheizt. Sie war wohl letzte Nacht nicht hier.«
»Sie hat wieder getrunken«, bemerkte Simenov. »Und zwar reichlich. «
Auf dem Tisch standen eine leere Flasche und ein Glas. Ich nahm das Glas in die Hand.
»Gib her!« Der Hufschmied entriss mir das Glas und hielt es kurz unter die Nase. »Zuika! Wusst ich's doch.«
Etwas stimmte nicht. Ich erinnerte mich an jenen unseligen Abend, als sich die Barbu auf ihrem Sofa an mich herangemacht hatte. Auch da hatte sie getrunken. Doch ein Glas, das war mir mit dem geübten Auge des Schankburschen sofort aufgefallen, war nirgends zu sehen gewesen. Die Barbu trank aus der Flasche. Das Glas in ihrer Wohnstube konnte nur bedeuten, in ihren letzten Stunden in Baia Luna war Angela Barbulescu nicht allein gewesen. Jemand hatte mit ihr getrunken. Diese Vermutung behielt ich für mich.
»Eine ganze Flasche!«, argwöhnte Erika Schuster ungläubig. »Sie ist bestimmt noch so betrunken, dass sie irgendwo umherirrt. Und das bei der Kälte, jetzt, wo der Frost kommt. Wir müssen nachschauen, ob sie ihren Mantel dabei hat.«
Emil Simenov sah sich im Hausflur um. »Ein schwarzer Man tel mit Fellkragen ?« »Ja«, rief Frau Schuster. »Der hängt hier.«
Erika Schuster öffnete die Tür zur Schlafstube. »Oh! Sie macht ihr Bett.« Die Sächsin wirkte aufrichtig überrascht und ließ ihre Augen in alle Ecken
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