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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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    »Was zum Teufel soll denn nicht durchschaubar sein?« Der Chauffeur des Leichenwagens fiel mir ins Wort. »Es ist ein Irrtum. Wie immer. Im Oktober hatten wir sieben Leichen, von denen kein Fahrer mehr wusste, wo sie hingehörten. Was glaubt ihr, was wir durch die Gegend gegurkt sind. Und alles wegen dieses bürokratischen Wahnsinns, bei dem die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut. Aber irgendwann blickt man bei dem Papierkram wieder durch. Jeder Tote findet letztlich seinen Ort. Wir werden euren Pfarrer schon auftreiben.«
    »Und deshalb spricht nichts dagegen, dass ich Istvan und Petre begleite«, fügte ich hinzu.
    Weil außer Großvater keiner widersprach, galt als beschlossen: Istvan Kallay, Petre Petrov und ich würden mit nach Kronauburg fahren, um den Verbleib des Leichnams von Pater Johannes zu klären. Der Sarg mit Fernanda Klein wurde ausgeladen, und wir drei kauerten uns in den Fond des schwarzen Wagens.
    Der Chauffeur erwies sich als Raser. Obwohl der Schnee mittlerweile einen Viertelmeter hoch lag, stoppte er bereits eine gute Stunde später vor dem neuen Blechschild »Volksgenossenschaftliches Hospital- Gesundheit des Vaterlandes Bezirk Kronauburg«.
    »Ihr kommt schon zurecht«, meinte der Beifahrer, als wir drei aus dem Leichenwagen kletterten. Wir atmeten durch und sogen die Stadtluft ein. Obwohl der Gestank verbrannter Kohlen von den Heizöfen tausender Wohnungen die Luft schwängerte, kam mir der Geruch von Teer und Asche wie eine frische Brise vor. Istvan, der nie rauchte, bat den Beifahrer um eine Zigarette, um den süßlichen Mief aus dem Totenwagen aus seiner Nase zu vertreiben.
    »Damit das klar ist, Pavel: Du hältst dich zurück. Lass mich reden«, sagte er.
    Dann strebten wir zum Eingang des Spitals und schritten schnurstracks zur Anmeldung. Istvan fragte eine korpulente Frau in einer Kittelschürze nach Doktor Petrin.
    »In der Pathologie. Im Keller. Drei Treppen runter und dann immer rechts. In welcher Sache? Ihre Ausweise? Haben Sie eine Genehmigung?«
    Aber da waren wir schon drei Treppen tiefer. Wir hielten uns rechts, vorbei an Dutzenden vergilbter Türen und durch fremde Gerüche, die ich, abgesehen von dem Putz mittel mit Ammoniak, nicht identifizieren konnte, die aber den Anschein erweckten, als wolle man einen üblen Duft mit einem noch übleren vertreiben. Auf dem letzten Flur huschte eine junge Frau mit fliegendem weißem Kittel vorbei.
    »Hallo, hallo! «, rief Istvan ihr nach. »Doktor Petrin, wir suchen Doktor Petrin?«
    Der wehende Kittel blieb stehen. »Haben Sie einen Besuchstermin?«
    »Wir sind aus Baia Luna.«
    »Was, von so weit? Liegt da schon Schnee? Man sagt, da hat die Welt ihr Ende. Na ja, im Sommer ist es in den Bergen bestimmt ganz schön. Was wollen Sie von Doktor Petrin?«
    » Wir möchten ihn persönlich sprechen, um ein Missverständnis zu klären«, antwortete der Ungar.
    »Wir suchen eine Leiche. Unser toter Priester ist verschwunden. Verstehen Sie? «, sprudelte ich heraus.
    »Halt die Klappe! «, zischte mich Istvan an.
    »Nein, junger Mann, ich verstehe nicht. Aber ich werde schauen, ob Doktor Petrin Zeit für Sie hat. Bei dem weiten Weg. Eigens aus Baia Luna. Aber höchstens ein paar Minuten. Mehr kann ich Ihnen nicht versprechen.«
    Ich ärgerte mich über die Anrede »junger Mann«, sie war ja selber alles andere als alt, aber wie sie vor mir herschlenderte, die Hände in ihren Kitteltaschen, das schulterlange Haar auf dem weißen Stoff und so ein sanfter Schwung in den Hüften, da wurde mir schon bewusst, dass in der Stadt die Bräute ganz anders beieinander waren als in Baia Luna.
    Sie blieb stehen vor einer der gelbbraunen Türen, an denen die Farbe abplatzte, und drückte die Türklinke. Ohne anzuklopfen. Wir hatten keinen Blick für das Schild »Dr. med. Paula Petrin, Fachärztin für Innere Medizin«. Die Pathologin setzte sich hinter ihren Schreibtisch.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    Petre und mir fiel die Kinnlade runter. Istvan Kallay tat so, als könne ihn nichts auf der Welt wirklich überraschen. Er räusperte sich: »Sie also sind Doktor Petrin? Ich hatte, verzeihen Sie, eigentlich einen Herrn erwartet.«
    »Einen Mann, jawohl. Ich auch«, brachte Petre heraus. »Das ist nicht ganz falsch. Bis vor Kurzem unterstand die Pathologie meinem Vater. Aber der genießt seinen Ruhestand, obwohl es jetzt im Winter am Schwarzen Meer bestimmt ziemlich ungemütlich ist. Aber bitte, was möchten Sie?«
    Istvans knapper Blick gab Petre

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