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Wie die Madonna auf den Mond kam

Wie die Madonna auf den Mond kam

Titel: Wie die Madonna auf den Mond kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Bauerdick
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die Lehrerin sehr unglücklich verlaufen sein musste. Als ich Buba von dem mysteriösen Auftrag erzählte, der mir immer mehr wie eine verzweifelte Bitte vorkam, nahm sie meine Hand, sodass ich es vorzog, über den Abend zu schweigen, an dem die betrunkene Angela Barbulescu mir in ihrem Sonnenblumenkleid zu nahegekommen war.
    Als ich mir alle Beschwernis von der Seele geredet hatte, sagte Buba: »Und ich glaubte schon, du magst mich nicht mehr.« Sie schaute kurz zu ihrem Onkel hinüber, sah, dass er noch schlief, und küsste mich auf den Mund. »Du bist jetzt mein Freund. Und ich bin deine Freundin. Mach keinen Blödsinn mehr ohne mich.«
    Auf der Chaiselongue wälzte sich der berauschte Dimitru von einer Seite auf die andere. Dann faselte er etwas in einem Singsang, der sich anhörte, als murmelten alte Weiber lateinische Litaneien. »Onkel Dimi redet im Schlaf, wenn er getrunken hat.« Buba legte Dimitru die Hand auf die wunde Stirn, küsste ihn und löschte das Licht. »Was die Barbu in der Bücherei gewollt hat, das fragen wir Onkel Dimi besser morgen früh. Wenn er ausgeschlafen ist, und wenn du überhaupt möchtest, dass ich dabei bin.«
    »Kein Blödsinn mehr ohne dich.«
    Als ich heimging, glühte ich, als könne ich den Schnee zum Schmelzen bringen. Die Ohnmacht war verschwunden. Die Schatten der letzten Tage waren keine Bedrohung mehr, sondern eine Herausforderung, ein Dunkel, das es aufzuhellen galt.
    Am nächsten Morgen war ich schon um sieben auf den Beinen. Ich wusch mich mit kaltem Wasser und schrubbte mir gegen alle Gewohnheit gründlich die Zähne. Als ich zur Bibliothek ging, freute ich mich, dass Buba am Eingang des Pfarrhauses bereits auf mich wartete. Wider die Befürchtung, Dimitru könne wegen der vorabendlichen Trinkerei nicht ansprechbar sein, trafen wir ihn nicht mit brummendem Schädel, sondern bei bester Laune an. Er stellte den Topf mit dem kalten Maisbrei zur Seite, putzte sich mit dem Ärmel die Essensreste von den Lippen und bot mir und seiner Nichte einen Platz auf seiner Liege an.
    »Nach unserer Disputation gestern Abend habe ich nachgedacht«, wandte er sich an mich. «Zuerst über Gott, dann über Nietzsche und abschließend im Sinne synchronaler Forschung gleichzeitig über beide. Die Frage ist doch bei Lichte besehen, wer ist der Klügere von beiden, der Evangelist des Todes Gottes oder der Schöpfer aller Dinge? Wer von beiden hat den längeren Atem? Der unendliche Heilsplan des Odems der Schöpfung oder ein vergängliches Werk eines, wie ich zugeben muss, äußerst schlauen Philosophen?«
    »Vom wem redet Onkel Dimi?« Buba schaute mich an. »Ich schätze«, sagte ich, ohne auf ihre Frage einzugehen, »Gott ist klüger als alle Denker. Auf lange Sicht gesehen. Aber nur, wenn er nicht schon tot ist.«
    Dimitru klatschte begeistert in die Hände. »Korrekt, mein Junge. Aber Gott ist nicht tot. Gott ist ein Igel.«
    Buba verdrehte entnervt die Augen, weil sie den verschlungenen Pfaden der Eingebungen ihres Onkels nicht folgen konnte. Auch ich befürchtete, der Zuika vom Vorabend wirke noch. Der Vergleich zwischen Gott und einem Igel, merkte ich missmutig an, sei doch wohl mächtig an den Haaren herbeigezogen.
    »Keineswegs«, widersprach Dimitru. »Ihr kennt das Märchen vom Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Stacheltier. Der Hase ist schnell wie der Wind, aber dumm wie ein Pappelbrett, der Igel hat kurze Beine, ist aber schlauer als ein Fuchs. Deshalb nutzt er das Principio duplex, das Gesetz der Verdoppelung. Vater Igel hockt neben dem Hasen in den Startlöchern. Achtung. Fertig. Los! Das Langohr hetzt durch die Ackerfurchen, als sei der Leibhaftige hinter ihm her. Auf der Ziellinie wartet schon Mutter Igel. >Ich bin längst hier, ich bin längst hier<, ruft sie. Der Hase fordert, blöd, wie er nun mal ist, sofortige Revanchierung. Dasselbe Spiel. Nur diese Tour ruft der Igelvater: >Ich bin schon da, ich bin schon da.< Der Rammler dreht fast durch, fordert ein neues Rennen und noch eins und noch eins und noch eins. Feierabend. Der Hase hetzt sich zu Tode, bricht zusammen auf dem Acker. Die Erde holt ihn sich zurück. Exitus finitus. Staub zu Staub.«
    »Eine einleuchtende Geschichte«, sagte Buba. »Doch wenn der doppelte Igel Gott ist, wer ist dann der Hase? Meinst du Leute wie deinen Vetter Salman, der ständig wegen Geschäften auf Achse ist, aber nie irgendwas richtig hinkriegt?«
    Als ihr Onkel antwortete: »Ich meine den Nietzsche Friedrich«, meinte Buba enttäuscht:

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