Wie die Madonna auf den Mond kam
recht. Er will mir alle zeigen. Ich muss lernen, dass leben keine Angst macht.«
»28. Oktober 1 947. Heute Mittag kam wieder ein anderer Kerl aus Alexas Zimmer. Sie ist so nett, aber warum verliebt sie sich nicht in den Richtigen? Sie sagt, sie wartet auf einen, der ihr mehr bietet als nur seinen ... Ich mag nicht, wenn sie so spricht. Wie soll ich ihr nur sagen, dass ich nicht schlafen kann, wenn sie nebenan so laut quiekt? Stefan war zwei Wochen verreist. Im Auftrag der Partei. Das Warten auf ihn war schrecklich. Ob er mich auch so vermisst? Bin richtig krank geworden und konnte kaum essen. Bin trotzdem zum Kolleg und habe mich durch die Bücher gequält. Alexa meint, die letzten Prüfungen schaffe ich locker. So viel, wie ich lernen würde. Aber es fällt mir schwer. Stefan sagt, jetzt nach dem Krieg werden gute Lehrerinnen gebraucht. Aber ich weiß nicht, ob ich den Kindern wirklich eine gute Lehrerin sein werde. Aus der Vergangenheit lernen, für die Zukunft planen, die Gegenwart genießen. Das sagt Stefan immer. Die Partei hat viel mit ihm vor. Hat Heinrich erzählt. Ich freue mich für ihn.«
»2. November 1 947. Bin gestern nicht zum Friedhof. Stefan hat mich eingeladen. In seine Wohnung. Endlich. Alexa spottete schon, wie lange ich eigentlich noch als Jungfrau durch die Welt rennen will. Sie redet so frei. Ich dachte, es tut weh, aber Stefan ist lieb. Wusste gar nicht, wie viele Stellen man küssen kann. Mir wird schon wieder warm.«
Die folgenden Aufzeichnungen aus dem Jahr 1 948 ließen darauf schließen, dass Angela Barbulescu viel Kraft in ihre Ausbildung als Lehrerin gesteckt, zugleich aber das Leben genossen hatte. Die Wochenenden verbrachte sie mit Alexa und Stefans Clique, oft feierten sie die Nächte durch, mitunter kam sie den ganzen Tag mit ihrem Liebsten, wie sie Stefan nannte, nicht aus dem Bett. An manchen Abenden gingen die beiden in das neue Kino am Boulevard der Republik. Nach den Kulturabenden führte Stefan sie in feine Restaurants aus. »Paris kann nicht schöner sein.«
Im Sommer' 48 hatte Angela Barbulescu ihre Prüfungen am Lehrerkolleg bestanden, mit dem Vermerk, zu ihrer weltanschaulichen Festigung seien regelmäßige Schulungstage durch die Partei angeraten. Am Tag danach war sie mit Stefan für zwei Wochen an die Schwarzmeerküste nach Constanta gefahren. Tagsüber badeten sie im blauen Meer, abends flanierten sie Arm in Arm über die Hafenpromenade, bevor sie im Rapsodia dinierten. Nachts zerwühlten sie ihr Bett im noblen Athenee Palace, und Angelas Aufzeichnungen enthüllten, dass sie schon vor dem morgendlichen Frühstück nach nichts anderem verlangte, als ihren Stefan in sich zu spüren.
»Ich möchte auch ans Meer«, rutschte es Buba heraus. Ich errötete.
Nichts lie ß bei den Eintragungen im Jahr 1948 auf etwas schließen, das Angelas Unbeschwertheit belastet und ihr Glück getrübt hätte. Nur zum Abschluss der Sommerreise an das Schwarze Meer schien sie verunsichert. »Fragte Stefan nach dem vielen Geld, was diese wunderbare Reise kostet. Er hat gelacht. Der Mann verdient, die Frau gibt aus. Seine Eltern haben schwer was vor der Brust, meint Alexa. Aber warum stellt er mich ihnen nicht vor?«
»23 . Dezember 1948. Habe keine Lust auf Weihnachten.
Koka hat eingeladen. Auf Briefpapier der Partei zu einer scheinheiligen Nacht. Solche Ideen findet er witzig. Stefan ist die letzte Zeit zu oft unterwegs. Wegen der Kollektivierung. Einige Bauern verweigern sich dem Fortschritt, sagt er. Aber er schafft das. Er kann Menschen überzeugen. Wenn er an den Wochenenden nur nicht so viel trinken würde. Er hat doch mich. Alexa meint, ich solle mir wegen Weihnachten bei Koka keine Gedanken machen. Schluck dir den Typen nett, sagt sie. Na ja, Alexa und ihre Likörchen. Stefan hört gar nicht zu, wenn ich sage, dass ich nicht bei Koka feiern will. Koka sei zwar nur ein dummer Schuhflicker und ein hohler Großkotz, aber er ist stellvertretendes Mitglied im Zentralkomitee mit besten Kontakten zum Präsidenten Gheorghiu-Dej. Da kann man eine Einladung nicht ausschlagen, meint Stefan. Sieht Alexa auch so. Sie schlägt vor, wir könnten zur Abwechslung am Heiligen Abend mal unsere Kleider tauschen. Ich in ihrem Gestreiften! Warum nicht? Obwohl alle sagen, dass mir die Sonnenblumen mit meinen Haaren gut stehen.«
»26. Dezember 1948. Alles ist ein böser Traum. Ich kann nicht mehr. Er hat mich einmal gefragt, was ich für ihn tun würde. Alles, habe ich geantwortet. Ich würde für
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