Wie die Madonna auf den Mond kam
mit den Sonnenblumen von den Schultern bis auf die Hüfte, zog Strümpfe, Unterwäsche und Büstenhalter aus und legte sich mit ihrem Rücken auf den Tisch. Sie spreizte ihre Schenkel, während die Männer hastig an ihren Hosen nestelten. Außer Stefan Stephanescu. Er schüttelte eine Sektflasche und verspritzte den Schaum über Alexas Blöße. Während Heinrich Hofmann mit seinem Fotoapparat in die Szenerie blitzte und sich die Männer über Alexa entleerten, fiel die Haustür ins Schloss, und Angela Barbulescu irrte verloren durch die Christnacht.
»Die Barbu rührt mich traurig«, sprach Buba leise. »Was ist dieser Stefan bloß für ein Mensch? Er zertritt ihr Herz.« Sie fröstelte und drängte sich dichter an mich heran. »Nimmst du mich in den Arm?«, hauchte sie, als ich sie längst an mich drückte. »Sie war eine andere als die, die wir kennen«, sagte ich leise.
Trotz des Erschreckens über die Bekenntnisse Angela Barbulescus freute ich mich im Stillen. Die entblößte Frau auf dem Foto, das unter meiner Bettmatratze steckte, war nicht meine verschwundene Lehrerin.
Auf der roten Chaiselongue hörten wir Dimitrus gleichmäßigen Atem, der hin und wieder von unverständlichem Gebrabbel unterbrochen wurde, für Buba ein sicheres Zeichen, dass ihr Onkel tief im Ozean der Träume tauchte, aus dem er in absehbarer Zeit nicht wieder aufsteigen würde.
»29. Dezember 1948. Alexa ist wie immer. Sie fragt mich allen Ernstes, wohin wir Silvester gehen.«
»31. Dezember 1948. Er schickt einen Brief. Habe ihn ungeöffnet verbrannt.«
»3. Januar 1949. S. kommt mit Blumen. Er will unbedingt reden. Als ob noch etwas zu sagen wäre.«
»5 . Januar 1949. S. läutet Sturm. Will ihn nie mehr sehen.«
»10. Januar 1949. Kann übermorgen in ein möbliertes Zimmer in der Nähe der Piata Romana ziehen. Arbeit? Geld für Miete?«
Irgendwann in diesen Tagen musste Angela Barbulescu einen Brief erhalten haben, in dem sie aufgefordert wurde, für die Vergabe der Lehrerstellen zum Schuljahr :1949/50 beim Nationalen Erziehungsministerium vorzusprechen. »Ich müsste hingehen«, schrieb sie, »doch warum noch? Ich will nicht mehr Lehrerin werden. Ich will nichts mehr.«
Was im Leben der Angela Barbulescu in den folgenden Monaten geschehen war, blieb im Dunkel, weil jede Eintragung fehlte. Zu meiner und Bubas völligen Verwirrung jedoch sprach sie e in halbes Jahr später, im Juli 1949, plötzlich von Heirat. Buba entfuhr ein Schrei, als sie den Zeilen entnahm, Doktor Stephanescu würde womöglich Angelas Ehemann.
»Wenn sie das macht, schneide ich meine Locken ab«, bebte Buba, der die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart schwanden und die zu vergessen schien, dass sie Einblick in Geschehnisse nahm, die bereits Jahre zurücklagen.
»Die Locken bleiben dran«, bestimmte ich. »Und warum?«
»Weil ich sie gern rieche.«
»Ist gut. Aber sie darf einen solchen Mann nie heiraten. Nie!«
Die Lektüre der nächsten Seiten legte die Vermutung nahe, Stephanescu sei etwas zugestoßen, ein Unglück, bei dem er wohl schwer verletzt worden war. Zuerst dachten wir an einen Verkehrsunfall. Spätere Andeutungen Angelas erweckten den Anschein, auf Stephanescu sei während der Kollektivierungsmaßnahmen in Walachien ein Attentat verübt worden. Fest stand lediglich, der Parteifunktionär lag lange in einem Hospital. Und Angela saß rund um die Uhr an seinem Krankenbett. Ihre Wunden aus der Vergangenheit schienen verheilt, zumal sie wiederholt von falschen Fre unden sprach, die Stefan nun meide. Vor allem Koka. »Er ist ein anderer geworden. Stefan spricht von Heirat. Familie! Kinder! Ich kann es kaum glauben! «
»Wenn sie diesen Mann heiratet, dann stirbt sie.« Buba seufzte und senkte die Augenlider. Ich hatte schon einmal erlebt, dass Buba in manchen Momenten eine Art unsichtbaren Schalter umlegte, der es ihr erlaubte, mit dem zu sehen, was ich nie wieder als ihr drittes Auge bespötteln würde. Ich betrachtete meine Freundin. Sie weinte aus geschlossenen Augen und summte ganz leise, schwebend und leicht, so als töne ein feiner Gesang aus einer lichten Welt durch sie hindurch. Dann kam sie zurück.
»Buba, was ist los? «, fragte ich besorgt und wischte ihr die Tränen ab.
»Wenn sie diesen Mann nicht heiratet, dann muss sie nicht mehr sterben. Dann ist sie schon tot.«
»6. Juli 1949. Meine Regel bleibt aus. Seit zehn Tagen.«
»18. Juli 1949. Frau Dr. Bladogan sagt, es sei noch zu früh für eine Diagnose, aber die
Weitere Kostenlose Bücher