Wie die Tiere
lieber das Schweizermesser für die Dreckarbeit genommen. Dann hat er die vier Köpfe in die Auslage seiner Apotheke gelegt, direkt neben die Kopfwehreklame. ‹Bekämpft den Kopfschmerz an der Wurzel›, ist auf dem Plakat gestanden. Das werde ich nie vergessen.»
«Von so was kriegt man keine Migräne.» Mein lieber Schwan, die hat ihm das Heu heruntergeräumt, «Und was machen Sie im Augenblick beruflich?»
Die Hundegeschichte, da hat der Brenner wieder brav die Wahrheit erzählt. Auch nicht alles natürlich, da bist du detektivisch schon unter einer gewissen Schweigepflicht, aber eben kurze Andeutung: Das und das und das, und jetzt möchte ein privater Unternehmer, dass ich den Hundekeks-Pappenheimer ausfindig mache.
Und ob du es glaubst oder nicht. Die Amtsärztin auf einmal wie verwandelt. Das musst du dir vorstellen wie diese Statue in der Fußgängerzone, die sich auf einmal bewegt, so hat die Amtsärztin einen seelischen Zucker gemacht. Richtig erleichtert hat sie ausgerufen: «Und ich habe schon geglaubt, Sie sind auch einer von denen, die nur für die Frühpension nach Wien übersiedeln.»
Der Brenner hat sie verständnislos angeblinzelt. Aber lange hat er auf die Erklärung nicht warten müssen. Die Amtsärztin hat ihm ihr Herz ausgeschüttet, dass Jahr für Jahr mehr Frühpensionstouristen nach Wien kommen, weil sie in den Alpenländern keinen mehr durchlassen. Ich weiß auch nicht, an diesem Tag muss irgendwas in der Luft gelegen sein, und da hat nicht nur der Brenner nicht aufgepasst und über sein Leben nachgedacht, sondern die Amtsärztin auch über ihr Leben nachgedacht. Dass sich ein Mensch von einer Sekunde auf die andere so verändern kann! Die Amtsärztin auf einmal die reinste Lebensbeichte.
Die hat einen Sohn gehabt im Alter vom Brenner, und da muss es wirklich eine heimliche Verbindung gegeben haben zwischen dem Brenner und dieser Frau, die Haare wie seine Großmutter gehabt hat. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass die ihm mitten im Untersuchungszimmer ihre privatesten Sorgen erzählt, sprich jammern über den Sohn. Beruflich leider noch nicht Fuß gefasst, worüber eben die Leute so jammern, wenn sie einen Sohn haben. Aber von der Amtsärztin hätte er es nicht erwartet. Pass auf, der ihr Sohn war Architekt, und da hoffst du natürlich noch in einem Alter auf deinen ersten Bau, wo ein anständiger Mensch schon um Frühpension ansucht. Und siehst du, darum hat die alte Frau immer noch gearbeitet, damit sie dem Herrn Sohn die großen Pläne ermöglicht.
Ich muss ganz ehrlich sagen, besonders interessiert hat das den Brenner nicht, aber er hat sie reden lassen, weil Motto: Vielleicht nützt es mir etwas. Und wie sie endlich mit dem Jammern fertig war und der Brenner geglaubt hat, sie fangt jetzt mit dem Untersuchen an, hat sie nur freundlich zu ihm gesagt: «In drei Tagen sehen wir uns wieder.»
An und für sich hat es dem Brenner nicht viel ausgemacht, immerhin nicht gleich durchgefallen bei der Frühpension, komme ich eben noch einmal. Aber vielleicht hat ihn der Weltschmerz von der Amtsärztin ein bisschen angesteckt, dass er den neuen Termin irgendwie persönlich genommen hat. Du musst wissen, wenn der Brenner als Detektiv einen Fall untersucht hat, dann hat sich das auch immer recht in die Länge gezogen, umständlich bis dorthinaus. Und jetzt ist er selber untersucht worden und schon wieder die Umstände. In seinem Leben ist einfach nie etwas ruckzuck gegangen, und wenn es recht föhnig ist, dann nimmst du so etwas persönlich.
«Ich bin neugierig, ob Sie den Verrückten nächste Woche schon geschnappt haben», hat die Amtsärztin gesagt, während sie den Brenner ein bisschen Richtung Tür bugsiert hat. Das müssen sie beim Medizinstudium schon im ersten Semester lernen, weil später gehen die Richtungen auseinander, tausend Schulen, von homöopathisch bis chinesisch, und einer versteht den anderen nicht mehr, nur beim Bugsieren sind sie sich einig.
Der Brenner war aber sowieso froh, dass er jetzt hinausgekommen ist, und er hat nur gesagt: «Die einfachsten Fälle sind oft die schwierigsten.»
«Das ist wie in der Medizin. Ein Knochenbruch heilt schnell, einen Pickel hat man sein Leben lang.»
Die Amtsärztin hat dem Brenner jetzt die Hand gegeben. Die knochige Hand von einer alten Frau, das ist dem Brenner aufgefallen, da dürfte er doch durch das ganze Thema Frühpension ein bisschen übersensibel gewesen sein. «Nächstes Mal wissen wir mehr», hat sie gesagt.
Er
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