Wie die Tiere
Frühpensionist es auf einmal so eilig gehabt und sich so schnell aus dem Staub gemacht hat. Dem Brenner war es in dem Moment nicht unrecht, er hat ja auch noch etwas vorgehabt, sprich eine zweite Spur. Zu viele Spuren sind bei einem Kriminalfall ja meistens ein schlechtes Zeichen. Das ist eine Regel, die fast immer gilt und die sich dann leider auch wieder fürchterlich bewahrheitet hat.
Ich muss sagen, beim Brenner war das sowieso verdächtig, dass er so drauflos marschiert ist, sprich Euphorie. Weil der ist normalerweise schon ein bisschen die Umständlichkeit in Person gewesen. Und da würde vielleicht so mancher vermuten, dass der Föhn schuld war an der Euphorie vom Brenner. Weil so ein Pech musst du einmal haben, da zieht er extra aus dem Föhnloch Innsbruck nach Wien, und da heizt der Föhn derart ein, dass schon im Frühling die verdorrten Blätter von den Augarten-Bäumen fallen. Da könnte man schon auf den Gedanken kommen, dass er deshalb so im Augarten rotiert ist und in allem eine Spur gesehen hat.
Aber ich sage, es war nicht der Föhn allein. Jetzt was war es? Warum sind im Gehirn vom Brenner die Funken geflogen, dass es schon fast eine feuerpolizeiliche Frage war, ob das noch erlaubt ist. Ganz einfache Erklärung: die Frühpension. Der Besuch beim Amtsarzt, sprich Amtsärztin. Das muss in ihm eine schockartige Gegenwehr ausgelöst haben, quasi, so alt bin ich doch noch gar nicht. Der Brenner hat eine Leistung gezeigt, da hätte man direkt an eine ausgleichende Gerechtigkeit glauben können. Dass ein Mensch, der jahrzehntelang die Dynamik ein bisschen unter Verschluss hält, es dann alles auf einmal zurückkriegt, quasi Lawine. Wo man schon fast sagen muss, Vorsicht, nicht dass es dir geht wie diesen Hunden, die man nach drei Tagen Hausarrest wieder aus der Hundehütte lässt und die sich dann oft vor lauter Lebensfreude am Gartenzaun das Genick brechen.
sechs
Zehn Minuten nachdem der Glatzkopf zu ihm gesagt hat «Ich muss fernsehen gehen», ist der Brenner vor dem Haus der Hundezüchterin Hartwig gestanden. Das Hartwig-Tierheim war nur hundert Meter vom Augarten und auch nicht viel weiter vom
White Dog
entfernt, mit den Nachbarn ein bisschen Konflikte, weil Tierheim mitten in einer Wohnstraße meistens nicht vollkommen unumstritten.
TIERE ist am oberen Klingelschild gestanden, SUMMER am unteren. Und nirgendwo HARTWIG, weil alle anderen Klingelschilder waren leer.
Wie sich dem Brenner dieses Bild von der Tafel mit den Klingelknöpfen eingebrannt hat, das war wieder typisch die Euphorie. Oben TIERE, unten SUMMER. Da hätte man glauben können, die Klingelschilder sind beleuchtet, genau wie eben diese beleuchteten Klingelschilder, die es heute überall gibt. Aber es war ja mitten am helllichten Tag, die Klingelschilder keine Spur von beleuchtet, Sonne drauf auch nicht, sondern im Schatten. Aber eben die Euphorie, die kann so was auslösen.
Läute ich eben einmal bei SUMMER, hat der Brenner sich gedacht, weil bei TIERE läutet man irgendwie nicht gern als Mensch, das ist, wie wenn du als Erwachsener ein Kind zuerst grüßt. Und SUMMER ist vielleicht eine von diesen raffinierten Klingeln, wo man sich selber die Tür aufsummt, quasi Arztpraxis. Weil der Brenner bestimmt seit dreißig Jahren bei keinem Hausarzt gewesen, aber einmal in seinen ersten Polizeitagen haben sie in Linz einen jungen Hausarzt aus seiner Praxis holen müssen, der war unglücklich verliebt, jetzt hat er sich selber mit der Hausapotheke. Fürchterlicher Anblick, aber in die Praxis hineingekommen sind sie leicht, weil eben der Summer, und darum hat der Brenner das so gut gewusst.
Aber interessant! Obwohl er extra bei SUMMER und nicht bei TIERE geläutet hat, ist hinter dem Eingangstor ein Gebell losgegangen, das glaubst du gar nicht. Der Brenner war froh, dass das Tor aus Eisen war, weil die ganze Anlage ein bisschen Hochsicherheitstrakt. Und durch ein normales Holztor hätte der Köter sich garantiert durchgebissen, so eine gute Stimme hat der gehabt.
Und gesummt hat es nicht. Und noch nie im Leben war der Brenner so froh, dass es nicht gesummt hat, weil sonst hätte er wahrscheinlich schon nicht mehr gelebt, so gewaltig hat sich der Hund von innen gegen das Eisentor geworfen.
Aber da gibt es diesen sehr guten Spruch. Man soll sich nicht zu früh freuen. Weil irgendwo im Haus muss jemand das Klingeln vom Brenner gehört haben. Und der hat jetzt, nachdem der Brenner sich ungefähr zehn Sekunden lang gefreut hat, dass es
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