Wie die Tiere
nicht summt, den Summer gedrückt. Zuerst hat der Brenner es nur ganz leise hinter dem Gekläff gehört. Aber das nützt nichts, so ein Summer öffnet die Tür genauso, wenn du ihn nur ganz leise hörst. In seiner Euphorie hat der Brenner gedacht, bestimmt wird sich "der Hund das Tor nicht selber aufmachen
,
erstens ist es kein Zirkushund, und zweitens ist es mir ganz sicher nicht vorherbestimmt, dass mich ein Hund frisst. Und zwei tot gebissene Menschen in einer Woche unwahrscheinlicher als ein Lottogewinn. Und irgendwann wird ja dieses ewige Summen auch wieder aufhören.
Aber nichts da. Es hat gesummt und gesummt. Da gibt es ja immer diese Leute, die zu kurz den Türsummer drücken, dann muss man noch einmal klingeln, und damit verbringt man sein halbes Leben, man kann es ihnen immer wieder erklären, länger summen, aber sie wollen es nicht begreifen und summen zu kurz. Und in diesem Fall war das eben die große Hoffnung: Ewig wird es nicht summen.
Wie der Hund ihm die Tür aufgemacht hat, hat es dem Brenner doch Leid getan, dass er noch nie ein Testament gemacht hat. Sicher, viel hat er nicht besessen, aber die zwei Nussholzschränke von seinem Großvater hätte er schon gern irgend wem vermacht, da wäre infrage gekommen, warte einmal, die Kassierin aus dem SoHo hätte sich bestimmt gefreut, oder ein SOS-Kinderdorf, tausend Möglichkeiten. Wie er nach seinem Polizei-Abschied aus der BUWOG-Wohnung hinausgeflogen ist, hat er die Schränke bei einem Salzburger Spediteur untergestellt, gratis auf Lebenszeit, rein aus Sympathie. Oder hat der auch ein bisschen darauf spekuliert, dass der Brenner einmal unter einen Argentino kommt, ohne Testament, und dann gehören die schönen Schränke ihm? Das ist dem Brenner jetzt alles durch den Kopf gegangen, während der Hund ihn umarmt hat.
Du wirst sagen, der Hund hat vielleicht ausgesehen wie die Evita, sprich ein Argentino, und jeder einzelne Halsmuskel so dick wie eine Pythonschlange, aber der wollte bestimmt nur spielen. Und das stimmt auch, zuerst wollte er nur spielen, umarmen, kuscheln, küssen, aber nicht gleich Kopf abbeißen. Aus nächster Nähe kannst du das aber oft nicht so gut beurteilen. Du darfst eines nicht vergessen, der Hund war auf den Hinterbeinen aufgerichtet nicht viel kleiner als der Brenner. Da sind einmal zwei mit starken Halsmuskeln zusammengekommen, und die haben sich in die Augen gestarrt, quasi: Wer zuerst wegschaut, hat verloren.
Der Brenner war dann aber doch froh, wie auf einmal aus der Sprechanlage eine Stimme gekommen ist: «Sitz, Puppi!»
Es ist immer eine sehr interessante Erfahrung, wenn du von einem Menschen zuerst die Stimme kennen lernst.
«Sitz, Puppi!», ist die Metallstimme noch einmal aus der Metallsprechanlage gefahren. Mein lieber Schwan, vor dieser Stimme hat sich der Brenner fast noch mehr gefürchtet als vor der Puppi, die ihm unbedingt einen Zungenkuss geben wollte.
«Sitz!»
Aber die Puppi hat nicht Sitz gemacht. Der Brenner natürlich auch nicht Sitz gemacht. Obwohl ich ehrlich sagen muss, seine Euphorie hat in dem Moment schon ein bisschen Sitz gemacht. Die Puppi dafür vollkommen unbeeindruckt, die ist starr am Brenner gelehnt, als hätte ihr jemand einen Narkosepfeil hineingeschossen.
Weil irgendwas muss die Puppi die ganze Zeit überlegt haben, ich glaube, für eine Führungspersönlichkeit fast eine kleine Entscheidungsschwäche, da hat man der Puppi das Hin und Her direkt angesehen, welcher Behandlung soll ich beim Brenner den Vorzug geben: Halsschlagader oder Ganzkörpermassage?
Jetzt was macht man in so einer Situation? Eigentlich kann man da nichts machen. Das ist ja ein großer menschlicher Aberglaube, dass man in jeder Situation etwas machen kann, und großartige Devise: Wo ein Wille, da auch ein Weg, es gibt keinen Zufall, und was da sonst noch so herumgeistert an Überlegungen. Das ist sehr optimistisch gedacht, und will ich auch bestimmt niemandem die Freude verderben, was wäre das für eine Jugend ohne ein bisschen Aberglaube. Aber Wahrheit natürlich oft ein bisschen bitter. Da gibt es sehr viele Sätze für die positiven Überlegungen, und für die Wahrheit interessanterweise nur einen Satz, ich glaube, ursprünglich stammt der sogar aus der österreichischen Bundeshymne: «Da kann man nichts machen.»
Man soll nicht überheblich sein, aber unter uns kann man es ja offen aussprechen, dass wir da beim «Nichts machen» einen kleinen Vorsprung gegenüber der Welt haben. Und der Brenner wieder
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