Wie die Tiere
lies-mir-wenigstens-das-Horoskop-vor. Ich weiß nicht, ob dir das auch schon aufgefallen ist, aber heute werden sich ja Männer und Frauen immer ähnlicher, und da ist es umso wichtiger für die Kinder, dass sie noch unterscheiden können, den mit dem Horoskop und den mit dem dumpfen Geschau.
Der Brenner und die Magdalena natürlich keine Kinder, und wenn da jemand die Zeitung gelesen hat, dann war es die Magdalena, weil der sind die Schönheitstipps einfach nicht langweilig geworden. Für den Brenner war es schon ein guter Morgen, wenn ihm der Kopf nicht in die Kaffeetasse gefallen ist. Er hat einen starken Oberkörper gehabt, Schultern, ja was glaubst du, aber das war ja das Problem. Wenn dich die Muskulatur auf den Tisch hinunterzieht, ist es umso schlimmer, wenn du starke Muskeln hast. Deshalb hat er sich ja beim Frühstück immer so mit beiden Ellbogen an der Tischkante abgestützt. Wenn du so sitzt, fällst du nicht so leicht auf den Tisch hinunter, das ist der Vorteil. Der Nachteil natürlich: Du kannst nicht gleichzeitig Kaffee trinken. Nur damit du nicht glaubst, da ist ein Mönch bei der Magdalena am Frühstückstisch gesessen. Sondern das war natürlich schon der Brenner.
Er war der Magdalena dankbar, dass sie nichts geredet hat, darum hat er sich auch nie über den Gestank beschwert, den sie mit ihrem Nagellackentferner verbreitet hat. Aber ausgerechnet heute hat sich die Magdalena unbedingt mit ihm unterhalten müssen. Zuerst hat sie ihm sein Horoskop vorgelesen, da haben sie vor zu vielen beruflichen Entscheidungen gewarnt, und ob du es glaubst oder nicht, privat haben sie die älteren Herren vor dem jungen Gemüse gewarnt. Ganz unter uns gesagt, weil das hat der Brenner nie erfahren: Das mit dem jungen Gemüse hat die Magdalena aus dem Stand dazu erfunden, weil er hat ihr vielleicht ein bisschen zu viel von der Mali erzählt, jetzt hat sie ihm da einen kleinen Rat ins Horoskop geschwindelt.
Dann ihre zweite Zigarette, dann die Fingernägel, da hat er schon bemerkt, dass er heute einen schlechten Tag hat. Weil das war diese Art von Kopfweh, die den ganzen Tag nicht mehr weggeht, und da brauchst du Rauch und Nagellackgestank nicht unbedingt zum Glücklichsein.
Und dann fragt sie auch noch: «Und machst du gute Fortschritt mit Nachforschung?»
Ihm ist aufgefallen, dass die Magdalena gute Fortschritte mit ihrem Deutsch gemacht hat. Gesagt hat er natürlich nichts. Aber die Magdalena hat sein Schweigen einfach als Geständnis genommen, dass er nicht recht weitergekommen ist.
Und das ist immer wahnsinnig gefährlich, wenn du nicht viel redest, dass die Leute glauben, sie müssen dir auf die Sprünge helfen. Du redest nichts, weil du deine Ruhe haben willst, aber du erreichst das Gegenteil, weil sie umso mehr gackern, je mehr Platz du ihnen lässt. Das ist ein brutaler Revierkampf, da könnte man viel von den Tieren lernen, und wenn du dein Revier nicht verteidigst, indem du dauernd redest, hast du sofort wen im Genick sitzen, der dir die Ohren voll singt. Fürchterlich!
Normalerweise hat der Brenner das gut beherrscht, so wenig wie möglich reden, aber gerade genug, dass keiner auf die Idee kommt, ihm die Ohren voll zu singen. Aber heute leider zu wenig geredet, sprich gar nichts, und jetzt die Magdalena: «Ich glaub ja, du hast überhaupt noch nichts herausgefunden.»
Dem Brenner war das egal, soll sie denken, was sie will. Gestört hat ihn schon eher, dass der Schmalzl gestern Abend das Gleiche zu ihm gesagt hat, natürlich chefmäßiger formuliert, und ich möchte Resultate sehen. Und wie der Brenner ein bisschen herumgedruckst hat, quasi Ausreden, ist dem Schmalzl etwas Gutes eingefallen: «Brenner, du musst dich entscheiden. Bist du Teil der Lösung oder Teil des Problems!»
So ein Trottl, hat der Brenner sich gedacht und ist schlafen gegangen.
Und jetzt mit Schädelweh am Frühstückstisch ist ihm wieder einmal diese Unart aufgefallen, dass die Magdalena beim Sprechen immer mit dem Fingernägel-Lackieren aufgehört hat. Und beim Lackieren hat sie mit dem Sprechen aufgehört. Da ist das Magdalena-Gehirn immer entweder für die Sprech- oder für die Lackiertätigkeit voll zur Verfügung gestanden. Er hätte sich gewünscht, dass sie wenigstens das stinkende Fläschchen zuschraubt, während sie nicht lackiert oder entfernt, also spricht. Aber nein, sie hat alles offen gelassen, weil sie ja das Pinselchen zum Gestikulieren gebraucht hat.
«Ich glaube nicht, dass du bei die Mütter viel findest.
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