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Wie die Tiere

Wie die Tiere

Titel: Wie die Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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sein Verhalten, und dadurch weißt du erst recht wieder nicht, wie er es ohne dich gemacht hätte. Das stimmt natürlich, aber ich sage, so viel wird es schon nicht ausmachen, schauen wir dem Brenner einfach ein bisschen über die Schulter. Er wird deshalb schon nicht gleich einen Blödsinn machen.
    Dass die Conny daheim war, hat er schon am Hinweg festgestellt, weil alter Trick, anrufen und Entschuldigung, falsch verbunden. Stimme-Verstellen war er zwar nicht so gut wie Beobachten, aber er hat sich im Lauf der Jahre so ein, zwei Stimmen zugelegt, die für ein kurzes «'tschuldigung» gereicht haben. Oft hat er noch zusätzlich ein bisschen den jugoslawischen Akzent verwendet, «'tschuldige, nix richtige Nummer›, dann natürlich perfekte Tarnung.
    Telefonzelle hat er keine gebraucht, die Magdalena hat ihm ja ihr Handy geschenkt. Weil die Magdalena jeden Morgen frische Fingernägel, jede Woche ein neues Handy, jetzt hat sie dem Brenner, bevor er aus dem Haus gerannt ist, ihr altes zugesteckt, ausgerechnet das mit dem Tigermuster.
    Ich kann es ja verstehen, dass ihm das Tigermuster peinlich war, aber jetzt eben doch sehr praktisch für den Anruf. Und interessant, dass einen so eine technische Neuerung oft auf ganz neue Ideen bringt, und der Brenner sogar einen neuen Trick beim Stimme-Verstellen.
    Er hat es ja so gut im Ohr gehabt, wie die Magdalena redet, jetzt Idee: Probiere ich es einmal polnisch statt mit Jugo-Akzent. Aber im Ohr haben ist was anderes als selber können, deshalb ist es mehr so eine Mischung geworden, halb jugoslawisch, halb polnisch. Macht nichts, es war sowieso eine fürchterliche Verbindung. Aber das Wichtigste hat er doch mitgekriegt: Die Conny ist daheim.
    Die Conny hat direkt am Donaukanal gewohnt, sehr schöner Blick, aber leider war die dreispurige Lände zwischen dem Haus und dem Donaukanal. Für den Brenner war es praktisch, da hat er sich zum Beobachten schön am Donaukanalufer auf eine Bank setzen können, und doch war er durch den vorbeiziehenden Autoverkehr gut geschützt.
    Obwohl ich ganz ehrlich sagen muss. Er hätte den Autoverkehr als Schutzwall nicht gebraucht. Wie er da auf seiner Bank in der Sonne gesessen ist und den Hauseingang nicht aus den Augen gelassen hat, da hätte ihn auch so niemand gesehen. Er ist regelrecht von der Bildfläche verschwunden.
    Und genau darum geht es eben beim Beobachten. Das macht es ja so schwierig. Alles sehen schon schwierig genug, aber dann noch: Selber nicht gesehen werden. Stundenlang direkt dem Hauseingang gegenüber sitzen und von keinem Passanten gesehen werden. Das ist es, wo du den Detektiv vom Möchtegern auseinander kennst.
    Und sagen wir einmal so. Beim Observieren unsichtbar werden, das macht dem Brenner nicht so schnell einer nach. Du wirst sagen, so wie der Brenner da auf fünfzig Meter Entfernung mit der Haustür von der Conny verschmolzen ist, das kann im Grunde auch nicht gesund sein. Das stimmt schon, gesund ist das nicht, da könntest du schon einmal auf das Schnaufen vergessen, weil du dir sagst. Als Haustür hab ich Tag und Nacht genug Verantwortung, da sehe ich nicht ein, dass ich auch noch schnaufen soll. Aber andererseits: Gesund in dem Sinn ist Detektiv sowieso nicht. Da gibt es oft die Gewaltsachen, Messer, Schere, Gabel, Kugel, dann das schnelle Autofahren, den Alkohol und und und. Das ist oft noch viel gefährlicher, und da sagt keiner was, jetzt wehre ich mich dagegen, dass man ausgerechnet beim Observieren sagt, gesund ist es nicht.
    Mich würde eher interessieren, wie ein Mensch zu so einem Observieren überhaupt fähig ist. Wie hält es einer stundenlang durch, dass er gelassen wie eine Holztür in die Welt hinausschaut.
    Sagen wir einmal so. Ganz hundertprozentig hat der Brenner es eh nicht geschafft. Er ist sogar ein bisschen ins Träumen geraten, und siehst du, das ist natürlich hoch gefährlich. Weil ins Träumen darfst du nie geraten beim Beobachten, das ist ja die Kunst! Die innere Ruhe ja, die Gelassenheit ja, aber Einschlafen, nein. Mit jedem Atemzug ruhiger atmen ja, aber nicht wegschlafen. Unauffällig aus den Augenwinkeln heraus beobachten ja, aber nicht den Kopf auf die Brust sinken lassen.
    Und schon gar nicht die Pubertätsgedanken aufkommen lassen, quasi unsichtbar werden. Das ist wahnsinnig verführerisch und wahnsinnig schädlich, und bei einem Frühpensionisten sogar wahnsinnig lächerlich. Wo man sich rein gedanklich vielleicht ein bisschen größer macht, als man ist. Oder in dem Fall eigentlich

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