Wie die Tiere
sie ihm in den letzten Tagen schon ungefähr tausendmal erzählt, darum hat er jetzt nicht einmal genickt.
Er hat einen Schluck Kamillentee genommen, da war eine Stelle in der Tasse, wo man gesagt hat, jetzt ist sie noch knapp mehr als halb voll, und dann hat man einen Schluck gemacht, und dann hat man gesagt: Jetzt ist sie weniger als halb voll. Wenn man dann ganz wenig nachgeschenkt hat, war sie wieder mehr als halb voll. Und nach dem ersten Schluck wieder weniger als halb voll. Und da gibt es immer die großen Theoretiker, die den Optimismus in die Welt hinaustrompeten, dass jeder normale Mensch einen Gehörschaden kriegt, und die wollen, dass man nicht zugibt, die Flasche ist halb leer. Sie wollen, dass man sagt, halb voll. Dabei gibt es halb gar nicht, das hat der Brenner ja gerade in tagelangen Tests mit seiner Kamillenteetasse herausgefunden.
«Decke von meine Omi in Polln.»
Der Brenner hat leise geseufzt.
«Hast du Sorge?»
Sorgen in dem Sinn nicht. Sicher, die Wade hat er schon noch ein bisschen gespürt, und manchmal hat er kurz hinunterschauen müssen, ob der tote Hund nicht zufällig immer noch an seinem Bein hängt. Aber halb so schlimm. Wenn man einmal davon absieht, dass es halb nicht gibt.
«Tut Fuß noch weh?»
«Halb so schlimm.»
Die Magdalena war beruhigt, dass er noch lebt, und ist wieder in ihrer Modezeitschrift versunken, weil mit den Fingernägeln war sie jetzt fertig.
Aber justament jetzt hat der Brenner mit dem Reden anfangen müssen.
«Halb so schlimm», hat er noch einmal gesagt, und die Magdalena hat noch einmal abwesend genickt und sich eine Zigarette angezündet. Jetzt hat sie auf einmal drei Dinge gleichzeitig tun können. Sich eine Zigarette anzünden, gleichzeitig wahnsinnig aufpassen, dass nichts mit dem frischen Nagellack passiert, und gleichzeitig den Blick nicht vom Horoskopartikel abwenden.
«Kennst du das», hat der Brenner weitergeredet, es war ihm egal, ob sie jetzt lesen will oder nicht: «Man kann sagen, die Flasche ist halb voll oder halb leer.»
«Ich immer Optimist.»
Aber wenn sie geglaubt hat, sie kann jetzt in Ruhe ihren Artikel lesen, war sie wieder zu optimistisch. Weil kaum dass sie wieder schön ins Lesen hineingekommen ist, hat der Brenner wieder angefangen.
«Aber bei halb so schlimm sagen nicht einmal die Optimisten: halb so gut.»
«Was?»
«Ich sag, bei halb so schlimm sagen nicht einmal die Optimisten: halb so gut.»
«Du bist Pessimist.» Jetzt hat sie den Horoskopartikel endgültig aufgegeben und dem Brenner ins Gewissen geredet. «Das ist jetzt nur der Biss bei dir! Das ist wie Krankheit. Macht depressiv. Wirst sehen, bald wird besser.»
«Dabei gibt es halb gar nicht.»
«So wie du das sagst, klingt nicht optimistisch. Männer sind viel depressiv. Ich weiß von Geschäft, alle nur depressiv. Ich bin Sextherapist. Ehrlich, Brenner.»
«Jaja.»
Die Magdalena hat gelacht: «Ich mache mir ein goldene Schild an Tür ‹Sextherapist Dr. Magdalena›.»
«Schild», hat der Brenner gesagt. Er ist aufgestanden, hat aber nicht recht gewusst, warum.
«Du spürst die Spritze», hat die Frau Sextherapist ganz wichtig gesagt. «Tetanusspritze. Das ist der Körper. Der will nicht Tetanusspritze. Das ist normal. Wirst sehen, morgen besser, übermorgen noch besser, bis Heiraten ganz gut!»
«Beim Gehen tut es weniger weh als beim Sitzen.»
«Bewegung immer gut!»
Eines muss ich ganz ehrlich sagen. Der Brenner ist an diesem Tag nur hinausgegangen, damit er der Magdalena entkommt. Ich sage es nur, weil dann hinterher alle den Brenner so großartig gefeiert haben, Superdetektiv und was weiß ich noch alles. Ich bin bestimmt nicht gegen den Brenner. Ich kenne eben seine Stärken und seine Schwächen. Und da stört es mich, wenn die anderen dann daherkommen und sagen, Superdetektiv. Und was weiß ich noch alles. Eifersüchtig bin ich deshalb noch lange nicht. Es stört mich einfach nur. Sie haben von nichts eine Ahnung, wissen nicht einmal, dass der Brenner eigentlich nur hinausgegangen ist, damit er endlich dieser Ehehölle mit der Magdalena entkommt, aber dann kommen und jubeln: Superdetektiv.
Obwohl ich ganz ehrlich sagen muss. Super war das schon, wie es dann bei ihm klick-klick-klick gemacht hat
achtzehn
Klick-klick-klick, hat die rote Fußgängerampel gemacht, und wenn sie auf Grün gehüpft ist, hat sie gesummt. Aber der Brenner ist immer noch da gestanden, wie es schon wieder klick-klick-klick gemacht hat. Er hat jetzt keine Zeit zum
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