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Wie die Tiere

Wie die Tiere

Titel: Wie die Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Hinübergehen gehabt. Er hat zu seinem Bein hinunterschauen müssen, ob da auch ganz sicher kein toter schwarzer Hund dranhängt.
    Du wirst sagen, über so einen Hundebiss muss man auch einmal hinwegkommen, irgendwann ist das Vergangenheit, und so weich darf ein Detektiv nicht sein. Das stimmt schon, und immer, wenn er gesehen hat, der Hund hängt ja gar nicht da, ist es dem Brenner auch wieder gut gegangen, und er hat sich gesagt, Vergangenheit, Schwamm drüber. Aber wenn er weggeschaut hat, sofort das Gefühl, der Hund hängt wieder dran. Also wieder hinunterschauen, und Gott sei Dank, der Hund wieder weg. Aber wegschauen, und der Hund wieder da. Es war genau wie bei der Ampel das ewige Hin und Her von Rot und Grün. Klick-klick-klick, hat es gemacht. Dann wieder gesummt. Aber der Brenner ist nicht hinübergegangen.
    Eigentlich hätte er ja gehofft, dass es beim Herumgehen besser wird als daheim beim Herumsitzen, dass er da beim Spazieren den Hund abstreifen kann. Ich sage zwar immer, Spazierengehen ist nur der nervöse Bruder vom Herumsitzen, sprich zu wenig, wenn du wirklich einen Hund loswerden willst. Aber andererseits, dass er ihn ausgerechnet loswird, wenn er eine Viertelstunde wie der Ochs vorm Tor an der Ampel steht und sich nicht auf die andere Straßenseite hinüber traut, hätte ich mir auch wieder nicht gedacht.
    Du musst wissen, er hat an der Ampel über ein Problem nachgedacht. Und Problem auf jeden Fall immer eine gute Methode, um einen Hund zu reduzieren. Du hast zwar das Gefühl, dass dich der Hund wahnsinnig beim Problem stört, und das stimmt auch, gar keine Frage. Aber eines muss man da schon auch einmal klar und deutlich sagen. Wir reden jetzt nicht von idealer Problemlösungssituation, wir reden von Hund-Loswerden. Da darf das Problem ruhig ein bisschen auf der Strecke bleiben, Hauptsache, der Hund bleibt auch auf der Strecke.
    So schnell ist das natürlich nicht gegangen. Das hat gedauert, bis er richtig in das Problem hineingekommen ist. Da möchte ich nicht so tun, als hätte er wahnsinnig konzentriert nachgedacht. In erster Linie hat er einfach dem immer wiederkehrenden Summen der grünen Ampel zugehört. Und dann bei Rot wieder schön klick-klick-klick.
    Der Brenner hat so viele grüne Ampeln ungenutzt verstreichen lassen, inzwischen sind in Wien rein statistisch schon drei Leute gestorben, weil Wien sterbende Stadt, und da kriegt der eine seinen Herzschlag, beim zweiten macht der Krebs den letzten Biss, dann kommt vielleicht noch dem einen oder anderen Chirurgenlehrling die Bohrmaschine aus, das passiert alles in so einer Stadt binnen fünf, sechs Grünphasen, und der Brenner geht immer noch nicht hinüber, sondern hört sich das Ampelkonzert an.
    Und ganz leise, leiser noch als das Ampelsummen, hat er selber gesummt. «Mama». Weil er hat nicht mehr gern gepfiffen, seit ihm das mit dem sentimentalen Vibrato aufgefallen ist, quasi Großvater, und so alt bin ich doch noch nicht. Aber interessant, der Brenner hat nur gesummt, wenn die Ampel auch gesummt hat. Und wenn die Ampel klick-klick-klick gemacht hat, ist er verstummt und hat nachgedacht. Nicht gleichzeitig. Abwechselnd, so wie die Magdalena mit Denken und Nagellack. Und beim Summen hat er nicht nachgedacht, sondern innerlich den Text mitgesungen: «Mama, du sollst nicht um deinen Jungen weinen!»
    Jetzt, was für ein Problem war da so interessant, dass es den Brenner sogar vom Hund befreit hat. Sagen wir einmal so. Es war weniger ein Problem, es war mehr eine Frage, die ihm der Ampel-Summer geflüstert hat. So ein Ampel-Summer hat natürlich keinen großen Wortschatz, der kann im Grunde nur seinen Namen sagen, sprich: Summer. Aber aus dem Namen hat sich dann eben die Frage ergeben: Was hat der Berti da am Telefon der Magdalena erzählt? Dass der Summer-Sohn jetzt unter einem anderen Namen lebt? Klick-klick-klick Und dann hat der Brenner zu dieser Frage eine andere Frage dazugetan. Wie hat wohl der Hojac früher geheißen?
    Siehst du, dir ist das natürlich schon viel früher aufgefallen. Wie da den Brenner das Schild vom
Summer-Sun
so beschäftigt hat, ein paar Tage nachdem er bei der Hartwig SUMMER gedrückt hat. Das hätte ihm schon selber auch zu denken geben müssen, wo es doch normalerweise keinen Menschen gibt, den die Gestaltung von Firmenschildern weniger interessiert als den Brenner.
    Und wie er jetzt wieder vor dem Schild vom
Summer-Sun
gestanden ist, weil er ist dann überhaupt nicht mehr über die Straße gegangen,

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