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Wie die Tiere

Wie die Tiere

Titel: Wie die Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Erklärung: «Das hängt mit der Gebissmechanik zusammen. Da lässt sich das Maul vom toten Hund gar nicht mehr öffnen. Und wenn man dann zu lange wartet, kommt noch die Leichenstarre dazu. Dann kriegt man den Hund gar nicht mehr heraus.» Das hat der Brenner Gott sei Dank schon wieder nicht mehr so genau verstanden, weil der Stich schon wieder zu lange her war, und beim Faden-Durchziehen hat er nur noch aus weiter Ferne gehört: «Da sind Sie ja noch einmal mit dem Schreck davongekommen.»
    Siehst du, der tote Hund in seiner Wade, das dürfte der Grund gewesen sein, dass beim Brenner dann kurz der Verstand ein bisschen ausgesetzt hat und er nicht recht gewusst hat, wo er ist, und was er ist, und wer er ist, eben so die Basisdinge, die man normalerweise doch nicht so leicht vergisst. Ich persönlich glaube ja, an die halbe Stunde, wo die beiden Polizisten mit vereinten Kräften gearbeitet haben, um ihm den Hund abzuklemmen, wird er sich überhaupt nie wieder erinnern. Da hat der Mensch doch seine gewissen Schutzmechanismen, und ich sage, ist auch besser so.
    Aber interessant ist das schon. Zuerst hat den Brenner immer jeder einzelne Nadelstich in die Realität zurückgeholt. Und jetzt, wo er fertig genäht war und wo er die Möglichkeit gehabt hätte, sich wieder vollständig vom Hier und Jetzt zu verabschieden, ist er langsam zurückgekommen. Er hat ganz genau mitgekriegt, wie sie ihn vom notdürftig improvisierten Behandlungstisch hinuntergehoben und in das Gitterbett geworfen haben.
    Du wirst sagen, Gitterbett kann ich mir nicht vorstellen, Rechtsstaat und alles, da hat das Bett in der Wachstube Leopoldstraße vielleicht ein kleines Geländer gehabt, damit der Brenner nicht im Schlaf aus dem Bett fällt, quasi Fürsorge. Weil du drehst dich oft im Schlaf um, ein fremdes Bett ungewohnt, dann fällst du heraus, reißt dir die frisch genähte Wunde wieder auf. Und nachher heißt es dann, Menschenrechte.
    Sagen wir einmal so. Das Gitterbett vom Brenner war ja oben auch noch zu, da kann man nicht mehr von Fürsorge im engeren Sinn sprechen. Und dann die Kommentare der Polizisten auch nicht sehr krankenschwesterlich. Wir wissen ja nicht, ob der Köter geimpft war, Brenner, womöglich hast du die Tollwut, dann beißt du uns, da ist Gefahr in Verzug, deshalb schön Gitterbett. Das sind eben so die kleinen Unterhaltungen für einen Staatlichen, dem sonst oft wochenlang in der Wachstube langweilig ist.
    Natürlich ist für die humane dings die Optik nicht ideal, wenn du sofort im Gitterbett landest, nur weil du einmal den Rotz zu laut aufgezogen hast. Für ein Fremdenverkehrsland keine gute Werbung. Ich möchte da auch überhaupt nichts beschönigen. Aber eines muss ich einfach zugeben. Der Brenner war ganz verliebt in das Gitterbett im Keller unter dem Leopoldstädter Polizeiposten. Weil du darfst eines nicht vergessen. Nirgendwo bist du so sicher vor den Hunden dieser Welt wie in einem Gitterbett, das auch oben zu ist.
    Bei den Früchtchen-Weibern hätte sich der Brenner das nie laut sagen getraut, quasi das Gitterbett loben. Man sagt ja heute, man soll ein Kind nicht zu viel einsperren, unterschreibe ich vollkommen, ein Kind muss die Welt sehen, Autostopp durch Australien, sobald man den Daumen selber halten kann, da entwickelt sich der freie Geist.
    Aber der Brenner war ja gar nicht so neugierig auf Geist. Zu viel Geist, und du erinnerst dich womöglich wieder an den toten Hund, den du in der Wade gehabt hast. Nur so lässt sich die Panik erklären, mit der er sich im Gitterbett festgekrallt hat, wie sie ihn am übernächsten Tag wieder frei lassen wollten.
    Und vielleicht auch mit dem Feuermal, das der Mann, der ihn herausholen wollte, auf seiner Glatze gehabt hat. Aber der hat sich dann stundenlang durch das geschlossene Gitterbett so nett und geduldig mit dem Brenner unterhalten, und weißt du noch, wie wir als Frühpensionisten immer aneinander vorbeigegangen sind, bis der Brenner doch bereit war, herauszukommen.
    Dann sind sie auf einer Pritsche nebeneinander gesessen wie damals im Augarten. Und schon wieder ein gutes Gespräch. Weil der eine Detektiv, der andere Polizist, da hat es viele gemeinsame Interessensgebiete gegeben. Am Ende hat sich herausgestellt, dass sie beide wissen, wer die Hundekekse gestreut hat, und dass sie beide gern wüssten, wohin die Hartwig verschwunden ist.
    Zum Abschied hat der Brenner brav versprochen, er wird ihn auf dem Laufenden halten, falls er etwas Neues erfährt, und dann war er

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