Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
freue ich mich trotzdem.«
Der Gedanke, dass Sebastian überhaupt nicht mehr mit uns gerechnet hatte, war ernüchternd. Dabei war seine Vermutung eigentlich ganz vernünftig gewesen. Wie viele der damaligen Einwohner Savannahs– oder irgendeiner anderen Stadt– waren noch am Leben? Sicherlich weniger als ein Viertel. Vielleicht sogar nur noch jeder Zehnte. War es einfach Glück, dass wir zu den Überlebenden zählten? Cortez hatte jedenfalls viel dazu beigetragen, aber vielleicht unterschätzte ich auch den Anteil, den wir anderen daran gehabt hatten. Ich hatte mich selbst nie als Überlebenskünstler betrachtet, aber wir hatten so vieles überstanden. Trotz unserer geringen Chancen waren wir dem Tod entronnen.
» Aber ganz geschafft haben wir es noch nicht«, sagte ich. » Wir sind zwar am Tor angekommen, aber für den Rest brauchen wir deine Hilfe.« Sebastian hob die Augenbrauen. » Wir haben uns einen Plan zurechtgelegt, wie wir nach unseren Vorstellungen leben können. Bitte hilf uns, deine Leute von unserer Idee zu überzeugen.«
Ich erklärte ihm unser Vorhaben, in der Nähe ein Lager zu errichten und Handelsbeziehungen mit Athens aufzubauen. Sebastian jedoch stöhnte bloß theatralisch und verdrehte die Augen.
» Dass ihr es euch immer so schwer machen müsst«, sagte er dann. » Nur ein winziger Nadelstich!« Er stupste Cortez mit dem Zeigefinger an. » Ein einziger Pieks, und ihr habt alles im Blut.« Ich konnte es nicht ändern, seine Albereien machten mich wütend. Wir waren müde und fast am Verhungern. Für uns war das alles nicht witzig.
» Aber das ist nicht unser Ding«, erklärte Cortez. » Hilfst du uns?«
Sebastian schüttelte den Kopf. » Was ihr da vorschlagt, ist einfach nicht möglich.«
Mir rutschte das Herz in die Hose. » Warum denn nicht? Warum soll das nicht möglich sein?«
» Weil hier fünf Jahre Planungsarbeit drinstecken«, erklärte Sebastian. » Diese Gemeinschaften sind sehr sorgfältig durchdacht. Und zu ihren Grundprinzipien gehört nun mal, dass sie homogen sind. Da gibt es keine Ausnahmen.«
Also waren inzwischen schon mehrere Gemeinschaften im Entstehen begriffen?
» Ich habe hier nicht mehr Einfluss als alle anderen auch«, fuhr Sebastian fort, » solange ich nicht im Entscheidungsgremium bin. Und dazu wird es in absehbarer Zeit wahrscheinlich nicht kommen.«
» Kannst du für uns ein Treffen mit einem der Entscheidungsträger organisieren?«, fragte Colin.
» Sie werden mir einfach sagen, dass ich euch ausrichten soll, ihr sollt der Gemeinschaft beitreten. Und das ist ja nicht euer Ding.« Mit leichtem Spott wiegte er den Kopf hin und her.
» Aber würdest du wenigstens fragen?«, bat ich.
Sebastian zuckte die Achseln. » Klar, fragen kostet nichts. Aber ich könnte sie genauso gut fragen, ob sie nicht eine Pyramide aus Menschenleibern bauen und Weihnachtslieder dazu singen wollen.«
Eine Stunde später kehrte Sebastian zurück. Während er näher kam, versuchte ich, seinen Gesichtsausdruck zu deuten, in der Hoffnung, er habe die maßgeblichen Personen wenigstens zu einem Gespräch mit uns überredet. Doch da Sebastian so wie immer lächelte, war es unmöglich, seiner Miene etwas zu entnehmen.
Er zuckte die Achseln. » Sie haben einfach kein Interesse.«
Mir war zum Heulen zumute. Ich war so müde, so hungrig.
» Sie haben gesagt, mal ganz abgesehen von unserem Prinzip der Homogenität haben wir hier auch Teams, die jeden Tag auf Beutetour gehen. Wir brauchen nichts zu tauschen.«
» Wie seid ihr mit Medikamenten ausgestattet?«, fragte ich und griff schon nach einigen Proben, die ich zusammengestellt hatte. Diese Kräuter hatte ich nicht in kleine Beutel gepackt, sondern in einzelne Medikamentendöschen mit kindersicheren Verschlüssen. Wir hatten sie in einem Medizinschrank in Watkinsville gefunden, alle leer. Ich öffnete eins und schüttete etwas von dem Inhalt in meine Handfläche. » Kamille. Gegen Entzündungen. Sie wirkt auch als leichtes Beruhigungsmittel.« Ich öffnete ein weiteres Döschen und strich mir ein bisschen von dem Schleim, der heraustropfte, auf die Handfläche. » Aloe vera. Bei Verbrennungen und…«
Sebastian schüttelte den Kopf. » Das wird alles in unseren Gewächshäusern angepflanzt, und wir haben Kräuterkundige, die mit unseren Ärzten zusammenarbeiten.«
Ich wischte mir die Aloe am Hosenbein ab.
» Hört mal«, schlug Sebastian vor, » ich zeige euch einfach mal die Stadt, und dabei können wir darüber sprechen, was
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