Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
anschließen, was hast du dann vor?«
Darüber hatte ich den ganzen Tag nachgedacht. » Als ich Sebastian erzählt habe, dass Ange tot ist, ist er einen Moment lang richtig traurig gewesen, hast du das bemerkt? Und dann war er gleich wieder fröhlich.«
» Ja, das ist mir aufgefallen.«
» Die negativen Emotionen werden also nicht einfach ausgelöscht. Die Infizierten spüren immer noch Traurigkeit, wahrscheinlich auch Angst und Wut. Aber diese Gefühle sind stark abgeschwächt. Jedenfalls kommen sie mir jetzt nicht mehr so vor, als hätten sie eine Lobotomie hinter sich.«
» Du spielst also mit dem Gedanken, dich Colin und Jeannie anzuschließen?«
» Ich glaube, ich kann nicht in den Dschungel zurück.« Ich konnte mich nicht dazu überwinden, einfach Ja zu sagen.
» Ich auch nicht. Ich denke, da geht es uns beiden ähnlich.« Phoebe drückte meine Hand. » Aber ich habe Angst.«
» Ich auch.« Jedes Mal, wenn ich an diesen Nadelstich dachte, hatte ich das Gefühl, in etwas Dunkles, Unbekanntes hineinzustürzen.
Den nächsten Tag verbrachten wir mit Nichtstun. Cortez unternahm ein paar Ausflüge in den Bambus und suchte nach etwas Essbarem, kam aber immer mit leeren Händen zurück. Phoebe und ich hatten kaum mehr Glück, wir fanden nur eine Handvoll Brennnesseln und ein paar Käfer. In der übrigen Zeit saßen wir auf unserem Lagerplatz, starrten auf das Tor und beobachteten, wie die gut genährte Bevölkerung von Athens ihrem Tagewerk nachging.
Um die Mittagszeit krochen Colin und Jeannie mit Joel aus ihrem provisorischen Zelt. Ihre wenigen Besitztümer hatten sie in Plastiktüten bei sich. Colins Miene zeigte die grimmige Entschlossenheit eines Soldaten, der in den Krieg zieht. Jeannies Augen waren rot vom Weinen. Sie kam zu uns herüber und umarmte Phoebe.
» Lasst euch noch ein paar Tage Zeit«, sagte ich und trat zwischen Colin und das Tor.
» Was sollen ein paar Tage mehr denn bringen?«, fragte Colin.
Darauf hatte ich keine Antwort.
Ich spürte eine Hand auf der Schulter. Phoebe war zu uns getreten.
Colin deutete auf Athens. » Das ist der einzige Weg nach vorn. Alle anderen Richtungen haben wir ausgeschlossen. Das sind alles Sackgassen, und am Ende wartet der Tod.«
» Ich will dir nicht widersprechen, aber sollten wir uns nicht mehr Zeit nehmen, um es zu durchdenken? Wenn wir diese Entscheidung einmal getroffen haben, gibt es kein Zurück mehr. Wollen wir nicht noch etwas mehr darüber sprechen?« Ich deutete auf ein Plätzchen im Gras.
» Wir denken schon seit Monaten darüber nach«, sagte Jeannie. » Ich will es einfach hinter mich bringen und mein Baby richtig ernähren können.«
Ich holte tief Luft und strich mir das Haar aus den Augen. Ich war noch nicht bereit. Ich wehrte mich dagegen, dass dies die letzten Stunden meines mir vertrauten Ichs sein sollten, mit der altgewohnten Art zu fühlen und zu denken. Ich schaute Colin an und sah in seinen Augen, dass er und Jeannie wirklich gehen wollten, und zwar sofort. Ich hatte rasendes Herzklopfen.
Hundert Meter entfernt schlüpfte ein halbes Dutzend Regierungssoldaten in verschlissenen Kampfanzügen aus dem Bambus. Ein lächelnder Schwarzer in hellbraunen Shorts führte sie an. Er breitete die Arme aus und sagte etwas zu den frisch Angeworbenen, bevor er sie weiter zum Tor geleitete. Zum Tor ins Nirwana, nach Walhall, nach Shangri-La.
» Kommt mit«, sagte Colin. » Wir wollen das nicht ohne euch tun.« Er zuckte die Achseln. » Woher wissen wir denn, dass es nicht einfach toll ist? Vielleicht lachen wir in ein paar Stunden und fragen uns, warum wir so ein Theater darum gemacht haben.«
Das wir lachen würden, daran hatte ich keine Zweifel. Aber ich hatte keine Ahnung, was uns dabei durch den Kopf gehen würde. Ich war einfach noch nicht so weit. Vielleicht in ein paar Tagen, aber jetzt noch nicht.
» Wir haben euch bis hierher begleitet«, erinnerte ich sie. » Damit will ich nicht sagen, dass ihr uns etwas schuldig seid, aber ich möchte euch bitten, der Sache noch ein oder zwei Tage Zeit zu geben. Mehr will ich gar nicht.«
Colin und Jeannie schauten sich an. Schließlich nickte Jeannie widerstrebend.
» Einen Tag noch. Ich sehe zwar nicht, welchen Sinn das haben soll, aber wenn du es so gern möchtest…« Er zuckte die Achseln.
» Danke.« Eine Welle der Erleichterung überkam mich. Ich wusste ja auch nicht, welchen Sinn das haben sollte. Ich wusste bloß, dass ich noch nicht bereit war.
Am späten Nachmittag kam Sebastian
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