Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
Frage.«
» Kann ja sein, aber es ist wirklich nicht mehr.«
Wir blieben stehen und betrachteten die winzigen Frachter fern am Horizont.
» Ich gebe ja zu, was mich vor allem an ihr reizt, ist dieses Dunkle, Sperrige, Wilde.«
» Ich hab doch gar nichts gesagt«, sagte Colin.
Der feuchte Sand saugte an meinen Füßen. Ich ließ sie einsinken, bis sie ganz von Gischt bedeckt waren, dann zog ich sie wieder heraus.
» Es ist schön, mit einer Frau zusammen zu sein, auch wenn sie nicht die wahre Seelengefährtin ist. Manchmal finde ich es einfach ätzend, Single zu sein«, erklärte ich.
» Beides hat seine Vor- und Nachteile.«
Ich beobachtete, wie eine Möwe sich vom Wind tragen ließ. Sie bewegte sich kaum, fast als würde sie auf der Stelle schweben. » Wo siehst du Nachteile, wenn man seine Seelengefährtin gefunden hat?«, fragte ich.
» Man macht sich Sorgen. Ich habe dauernd Angst um Jeannie. Pro Woche habe ich mindestens zwei Albträume, dass sie stirbt.«
» Daran habe ich noch nie gedacht«, gestand ich.
» Heutzutage gibt es so viele Möglichkeiten, wie Menschen sterben können. Ich würde nie darüber hinwegkommen, wenn sie ums Leben käme.« Nachdrücklich schüttelte er den Kopf. » Niemals. Ihr könntet mich gleich mit ihr zusammen begraben.«
» Ja.« Wir beobachteten, wie kleine weiße Vögel immer wieder in die Gischt hineinschossen, als würden sie sich ihr Futter aus dem nassen Sand herauspicken. » Wir haben bisher wirklich Glück gehabt, weißt du das? Bisher ist keinem von uns etwas Schlimmes passiert.«
» Jasper?«, rief eine Frauenstimme. Ich drehte mich um. Sie stand etwas weiter weg und schien sich nicht ganz sicher zu sein. Ich erkannte sie wieder, kam aber nicht darauf, wo ich ihr schon einmal begegnet war. Sie war schlank und hübsch, eine hochgewachsene Frau mit roten Locken.
» Hi«, begrüßte ich sie. Wer war das bloß?
Lächelnd kam sie zu uns herüber. » Ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnerst. Ich bin Phoebe. Vor vier oder fünf Jahren sind unsere Sippen sich bei Metter begegnet, und da sind wir eines Abends mal zusammen in die Stadt gegangen.«
» Ach, natürlich, jetzt erinnere ich mich«, sagte ich. Colin watete ins Wasser hinein, während Phoebe und ich uns unterhielten. Sie war mit einer Freundin hier, beide suchten Arbeit in einem der Restaurants am Strand. Sie hatte im Wal-Mart einen Job gehabt, bis er schloss. Als ich das hörte, kriegte ich ein schlechtes Gewissen, schließlich hatte ich bei der Plünderung auch eine gewisse Rolle gespielt. Phoebe sah toll aus– als ich sie das letzte Mal gesehen hatte, war sie halb verhungert und wahrscheinlich auch verlaust gewesen und hatte trotzdem gut ausgesehen. Jetzt konnte man sie fast als elegant bezeichnen.
» Ein paar Monate später habe ich versucht, die Nummer, die du mir gegeben hast, anzurufen, aber es kam immer nur › Kein Anschluss unter dieser Nummer‹.«
» Crystal ist gestorben. Das war die Freundin mit dem Telefon.« Phoebe kickte mit den Zehen nach dem feuchten Sand.
» Das tut mir leid.«
Mit gesenktem Kopf kam Deirdre auf uns zu. Ich geriet in Panik, so als würde sie mich bei einem Vergehen ertappen.
» Und was machst du jetzt so?«, erkundigte Phoebe sich.
» Ich habe einen Job in einem Mini-Markt.« Ich winkte Deirdre zu, als hätte ich sie gerade erst bemerkt. » Da kommt meine Freundin Deirdre.«
Ich stellte die beiden Frauen einander vor, immer noch mit dem Gefühl, ein schlimmes Unrecht begangen zu haben. Phoebe fragte Deirdre, was sie denn so mache. Das war die höfliche Form, jemanden nach seinem Job zu fragen, denn so viele Menschen waren ja arbeitslos.
» Ich bin Rockstar«, erwiderte Deirdre.
Jeannie winkte uns zu sich. Ich nutzte die Gelegenheit, um mich rasch von Phoebe zu verabschieden. Als wir uns entfernten, schaute ich mich rasch noch einmal um. Phoebe blickte aufs Meer hinaus.
» Wer war das?«, erkundigte Deirdre sich, während wir zu unserer Gruppe zurückspazierten.
» Ich habe sie während unserer Nomadenzeit kennengelernt«, erklärte ich.
» Wir haben Hunger«, sagte Jeannie, als wir die anderen erreichten. » Wir haben überlegt, zu dem Burger-Stand da hinten zu gehen.« Ange und Cortez schoben sich bereits durch das Gewusel hindurch, und wir anderen folgten ihnen.
» Ist euch klar«, sagte ich, als wir Ange und Cortez einholten, » dass wir zum ersten Mal, seit wir damals die Sippe gegründet haben, in einem Restaurant essen werden?«
Jeannie lachte.
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