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Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Wie die Welt endet: Roman (German Edition)

Titel: Wie die Welt endet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will McIntosh
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später zu beerdigen. Deirdre zog mich über den niedrigen Zaun auf die Grabstätte. Ein Sarg war viel kleiner als die anderen, wie für ein vier- oder fünfjähriges Kind. Den suchte Deirdre sich aus.
    Ich schlenderte die York Street hinunter zu Deirdres Wohnung, genoss die Kühle und befingerte den Lohn in meiner Tasche. Das dicke Bündel Scheine fühlte sich super an. Sechshundertvierzig Dollar– nicht schlecht für eine Woche. Zwar konnte ich damit nicht gleich in ein geschlossenes Stadtviertel ziehen, und Deirdre verdiente wahrscheinlich das Zehnfache, aber es war doch schön, wenigstens genug Geld zu haben, um mir mal eine Zeitung kaufen, wenn ich wollte.
    Gerne hätte ich mir eingeredet, meine verbesserte finanzielle Situation wäre Anzeichen einer allgemeinen wirtschaftlichen Erholung, aber das konnte man kaum sagen. Mir schien, dass es ein klein wenig aufwärts ging, aber es gab nach wie vor Massen von Obdachlosen, und die Aktienkurse fielen immer weiter. Falls die Regierung wusste, wie viele Arbeitslose wir hatten, gab sie es nicht bekannt; in den Nachrichten jedoch hatte ein Wirtschaftswissenschaftler ihre Zahl auf fast sechzig Prozent geschätzt. Ich hielt mein Gesicht in die Sonne und beschloss, mir keine Sorgen mehr zu machen, sondern mich zu freuen, dass ich nicht dazugehörte. Alles zusammengenommen lief es gut für mich, und dafür sollte ich dankbar sein. Die Beziehung zwischen Deirdre und mir hatte sich so weit entwickelt, dass wir uns jeden zweiten Tag trafen, und ab und zu konnte ich hinter ihrer kantigen, hitzigen Fassade einen Blick auf eine sanftere Frau erhaschen.
    Ich blieb neben einem riesigen Müllcontainer stehen, der an der Ecke im Schatten einer Lebenseiche abgestellt worden war. Auf der anderen Straßenseite standen zwei kleine Männer und starrten zu Deirdres Wohnung hinauf– ein älterer, der noch Reste eines früher wohl recht ansehnlichen Bierbauchs zeigte, und ein jüngerer, der erschreckende Ähnlichkeit mit einem Gnom aufwies.
    Als der Gnom mich kommen sah, winkte er mich zu sich.
    » Eine Augenweide«, flüsterte er.
    Deirdre gärtnerte splitternackt auf ihrer Terrasse. Ihre Nippel strichen über die dunkle Erde, während sie ein Loch füllte und den Boden kräftig festklopfte. In ihrem Gesicht war eine ungeheure Befriedigung zu lesen.
    » Ja, ich hab sie schon öfter nackt gesehen«, sagte ich.
    Verwirrt schaute der Gnom mich an. » Hat sie das schon mal gemacht?«
    » Nein, sie ist meine Freundin.«
    » Ach du Scheiße.« Er grinste. » Sie Glückspilz.«
    » Ich weiß«, sagte ich, packte die Plastiktüte mit meinem Fotoalbum fester und ging zur Haustür. Ich fischte Deirdres Schlüssel aus der Tasche.
    » Schatz, bin wieder zu Hause«, rief ich, als ich oben in die Wohnung trat.
    Deirdre hob den Kopf und schaute mich durch die gläserne Schiebetür an. Sie stand auf und wischte sich Knie und Po ab, bevor sie die Tür aufschob. » Stimmt doch gar nicht. Du bist in der Jones Street zu Hause.« Sie drückte sich an mich und steckte mir die Zunge in den Mund.
    » Du hast den Unterton nicht mitgekriegt. Es sollte ironisch klingen. Oder nein, eigentlich nicht ironisch, auch nicht richtig sarkastisch. Aber jedenfalls sollte es einen Unterton haben.«
    » Was laberst du da?«, fragte sie, lächelte aber.
    » Keine Ahnung.« Ich ging auf die Terrasse hinaus. Die beiden Männer standen immer noch auf der anderen Straßenseite. Der Gnom winkte, und ich winkte zurück. » Und was willst du pflanzen?«
    » Paprika. Und Chilis– alle Sorten. Ich liebe Chilis.«
    » Aha? Keine Tomaten? Keinen Spinat?«
    » Nö. Nur Chilis und Peperoni. Anderes Gemüse mag ich nicht.« Sie zog ein Gesicht, als käme der Verzehr von Gemüse dem Ablecken eines verschimmelten Duschvorhangs gleich. » Wem hast du da zugewinkt?«
    » Den beiden Männern, die dich von der anderen Straßenseite aus beobachtet haben. Nette Kerle. Haben sich keinen runtergeholt oder so. Echt anständig.«
    » Wirklich?« Deirdre schaute durch die Glastür nach unten und lachte. » Die haben mir zugeguckt? Hab ich gar nicht gemerkt.«
    Der Gnom winkte wieder, zögernd. Deirdre winkte zurück. Wir zogen uns von der Fensterfront zurück.
    » Kommst du heute Abend ins Konzert?«, fragte Deirdre.
    » Das will ich auf keinen Fall verpassen.«
    » Cool.« Sie schaltete ihren 3-D-Fernseher ein, ließ sich aufs Sofa plumpsen und legte ein Bein auf den Couchtisch.
    » Morgen hast du keinen Auftritt, oder? Wir wollen alle an den

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