Wie die Welt endet: Roman (German Edition)
vergiftet.
Cortez stupste mich in den Rücken. » Wenn wir uns nicht besaufen wollen, dann lass uns hier abhauen. Ich komme mit so was jetzt nicht klar.«
» Ich kann’s mir gar nicht leisten, mich in einer Kneipe zu besaufen«, erklärte ich. » Außerdem muss ich eigentlich nach Hause.«
Einen Block weiter lag ein sterbender Hund im Rinnstein. Fliegen umsummten seine Augen, während er im Todeskampf die Zähne fletschte. Es war ein mickriger kleiner Köter, fast nur Haut und Knochen. Auf der Seite liegend fixierte er uns noch kurz mit einem Auge, dann brach sein Blick. Seine Rippen hoben und senkten sich nicht mehr. Gleich würde er blau anlaufen.
» Und was kommt als Nächstes?«, fragte Cortez, der sich auf die Bordsteinkante gesetzt hatte.
Ich schaute an dem Mietshaus hoch, vor dem der Hund lag, betrachtete die rostigen schwarzen Gitterstangen vor den Fenstern und die Plastikverkleidung der Fensterrahmen, die an einigen Stellen abgebrochen war, sodass zersplittertes Sperrholz darunter sichtbar wurde.
» Vor ein paar Jahren hat eine Wirtschaftswissenschaftlerin mir gesagt, es würde einfach immer schlimmer werden. Sie hat gemeint, wenn es nicht mehr genügend Nahrung und Wasser und Energie gibt, würden alle einfach um die letzten Vorräte kämpfen, und die Verlierer würden Verzweiflungstaten begehen. Allmählich scheint mir, dass sie recht hatte.«
» Allmählich erst? Wir kämpfen doch schon seit fast zehn Jahren um genügend zu essen.«
Da hatte Cortez recht.
Er seufzte tief. » Ich kann jetzt nicht nach Hause gehen und mir die sarkastische Scheiße von meinem Alten anhören.«
» Dann komm doch mit zu mir.«
» Geht nicht. Ich muss meine Arbeit fertig machen.«
Cortez stand auf, salutierte vor dem toten Hündchen, und wir gingen weiter, an der Häuserreihe mit den verbogenen Geländern und dem modernden Holz entlang, an den Müllhaufen auf den Bürgersteigen vorbei. Die Leute warfen ihren Abfall einfach aus dem Fenster.
Ich wollte nach Hause, um die Nachrichten zu sehen und mit Colin und Jeannie über die jüngsten Ereignisse zu sprechen. Wer hatte denn etwas davon, unser Wasser radioaktiv zu verseuchen? Die USA hatte auf der ganzen Welt immer wieder rücksichtslos Unrecht begangen, und ich hatte ein ganz schlechtes Gewissen deswegen, aber wenigstens konnte ich die Gründe dafür nachvollziehen. Unsere Navy versenkte still und heimlich Fischtrawler, weil wir auf diese Weise mehr Fisch für uns selbst übrig behielten, aber sie kippten doch kein Gift in den Pazifik, um gleich alle Fische umzubringen. Es war, als würden inzwischen ganze Staaten wie Jumpy-Jumps agieren.
Während wir uns Cortez’ Zuhause näherten, hörten wir plötzlich ein verräterisches Knistern, so als würden unter unseren Füßen Eisschollen bersten oder Zweige knacken. » Ach du Scheiße«, sagte ich. Eilig gingen wir auf das Geräusch zu. Es kam aus der Richtung, wo Cortez wohnte.
Es war der gelbe Bambus– er war nicht so schlimm wie der grüne, aber schlimmer als der schwarze, und er spross genau vor Cortez’ Wohnhaus. Einige Stängel waren schon einen Meter hoch, und bebend und knackend wuchsen sie weiter. Wo die Triebe sich durch die Straße schoben, zerbrach der Asphalt in tausend Stücke. Wie hatte dieser Bambus bloß die Rhizomsperre überwunden, die um ganz Savannah herum in den Boden eingelassen worden war? Die Sperre reichte drei Meter tief.
Ein Trupp vom privaten Zivilschutz– ich kannte das Logo nicht, aber schließlich wohnte ich auch nicht in diesem Stadtviertel– hatte den Bereich bereits abgesperrt. Techniker waren dabei, die Straße mit Asphaltfräsen aufzureißen, um Rhizomsperren zu setzen, bevor der Bambus sich weiter ausbreiten konnte.
Cortez’ Wohnung lag innerhalb des abgesperrten Bereiches. Das Gebäude gehörte seinem Vater– es war Cortez’ Elternhaus. Und jetzt überließen sie es einfach dem Bambus.
» Da ist mein Alter.« Cortez klang total niedergeschlagen. Sein Vater stand in der Menschenmenge, die sich auf dem Gehweg versammelt hatte. Er schüttelte den Kopf und gestikulierte wütend, ohne sich direkt an jemanden zu wenden.
» Der kann doch unmöglich durch die Sperre gewachsen sein«, sagte er, als er uns kommen sah. » Die verfluchten Biotech-Punks haben ihn eingeschleppt und hier gepflanzt, das sage ich euch. Oder Terroristen– diese verdammten Jumpy-Jumps.«
Cortez und ich nickten. Sollte sein Dad ruhig weiter glauben, irgendein jugendlicher Bio-Freak hätte den Bambus
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